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Außer Programm

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Die sonst übliche Mittelmäßigkeit und Langeweile deutscher Fernsehspiele wurde unterbrochen durch „Kad di sch nach einem Lebende “. Frei lieh verliehen das israelische Milieu und die Teilnahme mehrerer jüdischer Darsteller dem Spiel ein besonderes Kolorit. Angesichts des heiklen KZ-Themas befleißigte sich der Regisseur einer gewissen dokumentarischen (aber nichtsdestoweniger dramatischen) Trok- kenheit und Sparsamkeit, wie sie den deutschen Produktionen sonst nicht eigen ist. Die Problematik der Herstellung und Aufführung eines solchen Stücks in Deutschland und Österreich besteht wentger im Thema als im Publikum. Einem nicht unbeträchtlichen Teil der Fernseher muß eben die Ausschließlichkeit der Repräsentation der nichtjüdischen Teilhaber am Geschehen auf die SS-Wächter des KZ schwer auf die Nerven fallen. Was soll man da machen? In einem KZ hat es eben nur schwarz und grau, Schläger und Geschlagene gegeben. Die Ausschließlichkeit gehörte zum politischen und administrativen Regime und Zweck dieser Anstalten. Andere als jene zwei Farbtöne mußten zwangshaft grotesk oder verlogen werden, wie etwa die Blumenbeete vor dem Haus des Lagerkommandanten oder die Darbietungen des Lagerorchesters.

Ein anderes Fernsehspiel der vergangenen Woche, „Karussel l”, lag einige Klassen tiefer. Dies trotz, nein, wegen des bulligen Radikalismus, der jetzt in der deutschen Literatur sp im Schwünge ist. Das Spiel handelt vom Epigonentum und der Korruption und Freunderlwirtschaft in Theater und Rundfunk. So etwas soll es auch außerhalb Deutschlands geben. Dennoch ließ mich die ganze Zeit ein unbehagliches Gefühl nicht los. Derlei dem heutigen Fernsehpublikum zu zeigen, muß dieses in seinem Banausentum bestärken: „Na also, jetzt weiß ich, warum ich von Literatur nichts wissen will. Hab’ ich schon g’fressen.” Wenn die Epigonik in Form einer Parodie auf ein Stück verdammt würde — wie das Hauff vor 150 Jahren mit seiner berühmten Fälschung einer Novelle des Kitschiers Claur en getan hat, wäre dem ahnungslosen Publikum eine Gabel für die falsche Tonalität der abzulehnenden Gattung in die Hand gegeben. Hier wird jedoch eine Seite so gezeigt, als ob die ganze Literatur so aussähe, Dem ist nicht so. Die meisten Kritiker und auch das Publikum sind heilsfroh, wenn sie einmal ein originelles Werk zu Gesicht bekommen. Die Schnelligkeit, mit der ein Wolfgang Bauer oder Handtke Anerkennung findet, erweist das am besten. Eines ist richtig: Die Manager von Theater, Verlagswesen und Rundfunk sind heute nicht imstande — wie zu Zeiten eines Stanislawski, S. Fischer und zuletzt in England Hugh Carleton Green bei der BBC — potentiellen Autoren Inspiration und Auftrieb zu geben, echte Talente zu kreieren — worin ihre wesentlichste Aufgabe bestünde. Statt dessen erblicken sie diese darin, das Publikum um jeden Preis zu füttern und ihm einen großen Betrieb vorzumachen. Sie besitzen keine eigenen Vorstellungen und Ideale außer dem, sich persönlich durchzusetzen und zu halten. Darauf ist ihr ganzes Sinnen und Trachten gerichtet. Mag sein, daß sie nichts anderes ln den Bildungsfabriken gelernt haben, die unsere Mittelund Hochschulen sind.

Um vom Allgemeinen zum Besonderen zu kommen: Man bedenke zum Beispiel, wieviel gute Absichten und Impetus der jetzige Leiter des österreichischen Fernsehens bei seinem Amtsantritt mitgebracht hat, und was für eine Einöde sich nun dort trotz ver- quälter Geschäftigkeit und knallender Scharfmacherei ausbreitet. Zum Unterschied von anderen europäischen Rundfunkanstalten ist die österreichische nicht imstande, uns zum Saisonbeginn ein Jahresprogramm zu bieten. Im Programm für den Monat Oktober findet man dort außer vom Ausland übernommenen Fernsehspielen und Aufzeichnungen von hiesigen Bühnenaufführungen nur eine einzige „dramatische” Produktion österreichischen Ursprungs: die Fortsetzung der insipiden und provinzialistischen Reihe „Der alte Richter” (die jetzt durch die Erkrankung Paul Hörbigers in Frage gestellt sein dürfte).

Statt dessen bekommen wir nun allwöchentlich wieder die Pauke für den ORF mit dem „Postfach 7000” vorgeschlagen — von Fräulein Eva-Maria Klinger, die mich an die Olympia aus „Hoffmanns Erzählungen” erinnert. So wie diese sieht sie ja allerliebst aus und kann nur „Ja, ja” sagen. Allerdings konnte Spalanzanis Schöpfung singen, wenn sie aufgezogen worden war.

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