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Ballspiel mit Ideen

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TESSINER SCHREIBTISCH. Von Karl K e r e n y 1. Steingrüben-Verlag, Stuttgart, 1963. 160 Seiten. Preis 22 DM. — BALLSPIEL MIT IDEEN. Von G. K. Chesterton. Verlag Herder, Freiburg-Basel-Wien, 1963. 175 Seiten. Preis 18.5 S. — DIE FRAU OHNE SCHATTEN. Von Hugo von Hofmannsthal. Fischer-Bücherei, Frankfurt/Main 1963. 162 Seiten. Preis 19.30 S.

Liebevoll, wie Karl Kerenyi im vorliegenden Essayband Belanglosigkeiten über Thomas Mann und sein Werk verbreitet, wie er Peripheres am zentralen Anliegen Martin Bubers sich zum Vorwurf gibt, erweckt er im Leser den Eindruck eines Mannes, der mit Erfolg bemüht ist, olympisch-ruhig auf allen Gebieten geistiger Auseinandersetzung den Schweiß sich zu ersparen und nicht in Hitze zu geraten. Er beschränkt sich auf gebildete Informiertheit, sorgfältiges Interesse, farblose, wenn auch gefällige Gedanken und eine hochstehende, wiewohl anspruchslose Sprache, ob er nun Bemerkungen zu Bela Bartok zu Papier setzt, eine sein eigenstes Arbeitsgebiet betreffende Kritik an Robert Graves anbringt oder der Geschichte einer ungarischen Madonna im Tessin nachgeht. Unbestreitbar seine gehobene Bescheidenheit, unbestreitbar seine unaufdringlich lautere Haltung, unbestreitbar auch, daß er wie schillerndes öl auf allen Wassern des Humanismus schwimmt.

Wer ausgefallene, drastische Einfälle liebt, wird bei der Lektüre Chestertons einigermaßen auf seine Rechnung kommen. Dieses kräftige Original von einem Engländer, mit einem verspielten, kindlich-freien Gemüt begabt, konnte sich eine Schreibweise voll von Inkonsequen-

zen, Zerstreutheiten und Absonderlichkeiten leisten und doch eine wohltuende Wirkung tun. Denn bei ihm erscheint das lastend Verfestigte des Alltags plötzlich aufgesplittert, gebrochen in ein Spiel abwechslungsreicher Überraschungen. Mit der boshaften List des Weisen behandelt er die Krämpfe einer kranken bürgerlichen Gesellschaft — und er versteht sie zu lösen, zumin-destens zu lindern.

Jede Zeit mag ihre Märchen haben, doch ist man versucht, die Blüte der Märchen in ursprünglich drängende Zeiten zu verlegen. Leicht davon zu scheiden sind Zeiten mit einem amüsierten, ästhetischen Verhältnis zum Märchenhaften, wie es etwa Hofmannsthal hat. Die im vorliegenden Band zusammengefaßten Proben seines Erzählens tragen allesamt das Stigma desselben Mißverständnisses, des Verwechselns von pretentiöser Künstelei mit echtem künstlerischem Anspruch. Als ob zerbrechliche Kostbarkeiten nahöstlicher Herkunft, umgeben von einem Hauch verfeinerter Exotik, selbst für Liebhaber den Wert natürlichen Schmuckes, natürlicher Seltenheit haben könnten, den echte Märchen nun einmal haben! Nichts ist dem Raffinement unzugänglicher als der spröde, kaum bearbeitbare Stoff eines echten Märchens.

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