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Bilanz der Traumfabrik

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Die Geschichte des Films ist die Geschichte seiner schöpferischen Potenzen, vorwiegend also seiner Regisseure. Wunderlicherweise ist Hans Hellmut Kirsts „Bilanz der Traumfabrik” (Verlag F. Bruckmann, München, 1963, 200 Seiten, 83 Abbildungen, Preis 12.80 DM) eines der ersten Filmbücher deutscher Sprache, das diesen Gedanken nicht nur antippt, sondern auch durchsteht. Einem Vorwurf, der sich trotzdem aufdrängt: der Stil des Buches sei für eine seriöse Historie zu flott und zu fesch, nimmt der Bestsellerromanautor und Journalist Kirst lieber gleich selber den Wind aus den Segeln, indem er dem Haupttitel des Buches anfügt: „Kritische Randnotizen zur Geschichte des Films”. So reiht sich sein Buch unter die Riss und Fraenkel eher als unter die Zglinicki und Patalas und dürfte dort eine Zeitlang seinen Platz behaupten.

Einem ersten Band läßt der Düsseldorfer Verlag Haus Altenberg jetzt die „Filmanalysen 2” (herausgegeben von Franz Everschor in Verbindung mit Hans Fahle und Reiner Keller; 272 Seiten, 20 Photos, Preis 24 DM) folgen. Die einzelnen Analysen sind seit dem ersten Band in Geist und Umfang so gewachsen, daß nur noch zehn Filme Platz gefunden haben, darunter das „Tagebuch eines Landpfarrers”, besonders schön analysiert von Jean Sémolué. Ihnen folgt eine fundierte Darstellung der Ziele und Methoden der Filmanalyse durch Dr. Gerd Albrecht; ob nicht seine immensen Idealforderungen an die Filmanalyse der Zukunft auch Gutwillige verzagt machen werden?

Noch ein zweiter Band (merkwürdig, bevor der erste erschienen ist): „Der Film. Manifeste, Gespräche, Dokumente, 1945 bis heute” (herausgegeben von Theodor Kotulla, R.- Piper-&-Co.-Verlag, München, 1964, 428 Seiten). Eine brillante Idee, Regisseure von Rang und Namen einmal von ihren Ansichten und Absichten plaudern zu lassen! Inmitten von neun Italienern, acht Franzosen und sieben Amerikanern macht leider der einzige Deutsche, Wolfgang Staudte, mit seinem dürftigen Beitrag „Der Heldentod füllt immer noch die z Kinokassen” keine gute Figur. Schade auch, daß die Auswahl der Autoren und ihre manchmal lauten Proklamationen eine so extrem linke Schlagseite (Visconti!) haben. - — ‘

Einen unkritischen und schwülstigen Panegyrikus auf Italiens Moderegisseur hat Pierre Leprohon geschrieben: „Michelangelo Antonioni” (Fischer-Bücherei Nr. 571; 168 Seiten, Preis 2.60 DM). Zur nicht sehr gelungenen deutschen Übersetzung muß sich Lotte Eisner bekennen. Antonionis eigenen, bisweilen recht wunderlichen Ansichten folgen, besser brauchbar, Proben aus Sujets und Drehbüchern, Kritiken, Berichte und eine Filmographie (bis „EEclipse”, 1962).

Alain Robbe-Grillet ist der Drehbuchautor von Alain Resnais’ Film „Letztes Jahr In Marienbad”. Sein Drehbuch, „¿Immortelle” („Die Unsterbliche”), die reichlich verworrene Geschichte einer rätselhaften Begegnung, die mit dem unheimlichen Tod beider Partner endet, hat er nun selbst inszeniert. Man hört, daß wir den merkwürdigen Film kaum jemals sehen werden. Aber auch aus einer deutschen Übersetzung davon durch Elmar Tophoven, im Carl-Hanser-Verlag (München, 1964; 157 Seiten mit 16 Photos, Preis 12.80 DM), wird man nicht ganz klug. Diese „Unsterbliche” scheint zur Gattung der „Sphinx ohne Geheimnis” des modernen Snobfllms zu gehören.

Der englische Journalist Raymond Durgant. schrieb in „Films and Fil- ming” eine Aufsatzreihe, die jetzt Joe Hembus unter dem Titel „sexus, eros, kino. Der Film als Sittengeschichte” übersetzte, mit pikanten Bilderchen schmückte und herausgab (Carl-Schünemann-Verlag, Bremen, 1964; 208 Seiten, 138 Photos, zehn Drehbuchauszüge und, eine Filmographie, Paperback Preis 18.80 DM, Ganzleinen 23.80 DM). Der Geist des Buches wird klar, wenn der Autor einen gewissen Roger Vadim und sein Treibhauspflänzchen Sexualis vulgaris (Brigitte Bardot) als Überwinder veralteter Moral und als Bahnbrecher einer neuen Sinnlichkeit feiert — kennen wir diesen Jargon nicht? Der einzige nützliche Gedanke eines Kapitels, die Wurzelung des Horrorfilms im Sexuellen, ist auch nicht eben neu, so wie das ganze Gehabe und Getue solcher Publikationen.

Gerührt blättert man in „Gunter Groll. Ein Buch der Freunde” (Verlag Kurt Desch, München, 1964, 196 Seiten). Groll, kürzlich 50 Jahre alt geworden, ist der Cheflektor des Desch-Verlages und war jahrelang Filmkritiker der Süddeutschen Zeitung, aus welcher Zeit auch drei prächtige Filmbücher Grolls stammen. 43 Künstlerpersönlichkeiten gratulieren in diesem Buch und neigen sich taktvoll, doch sichtlich bewegt, vor der harten Prüfung Gunter Grolls, die ihm die Ausübung der Kritikertätigkeit schon seit Jahren verwehrt Alle Schicksalsgefährten schließen sich dieser Anteilnahme tiefergriffen an.

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