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Calderon und Cool-Jazz

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Im Grazer Opernhaus wurde jüngst die österreichische Erstaufführung der „Dame Kobold“ des Wieners Gerhard Wimberger zu einem starken Erfolg. Eine zeitgenössische Oper, die von Publikum und Presse gleichermaßen freundlich aufgenommen wird, gehört gewiß zu den Seltenheiten. Was ist nun das Geheimnis dieses Erfolgs, der sich übrigens schon nach der Frankfurter Uraufführung im Vorjahr deutlich gezeigt hatte?

Dem jetzt 42jährigen Komponisten und Leiter der Kapellmeisterklasse am Mozarteum gelang mit dieser seiner dritten komischen Oper ein Werk, dessen Musik sich nicht in modernistische Spekulationen verliert, aber auch weit davon entfernt ist, in billige Banalität abzusinken und mit dem Geschmack des breiten Publikum zu liebäugeln. Calderöns Lustspiel „Dome Kobold“ — in Hofmannsthals Ubersetzung — ist ein bühnenwirksames Stück, kein Zweifel. Es bedurfte nur einiger dramaturgischer Raffungen, und die alte Komödie um einen drehbaren Wandschrank war in ein taugliches Opernlibretto verwandelt: das besorgten der Komponist und Wolfgang Rennert in sehr geschickter, die Atmosphäre des Originals schonender Weise. Freilich bedeutet dies keine völlig neue künstlerische Schöpfung, sondern mehr ein InMusik-Setzen Calderöns, wobei Geist und Stimmung der „Comedia de Capa y Espada“ einer etwaigen musikalischen „Überlastung“ durchaus nicht zum Opfer gefallen sind.

Man möge nicht glauben, Wimberger habe die „Dama Duende“ und ihre verwirrende Handlung ganz einfach illustriert. Er nimmt lediglich Bewegung und Gestik der Bühnenftguren in seine Musik hinüber, bleibt aber nicht bei der Lautmalerei stecken; er transponiert die Bühnengesten sozusagen in musikalische. Die Stilisiertheit der barocken Komödie findet ihre Entsprechung in der Stilisiertheit einer musikalischen Ausdrucksform von heute, nämlich des Cool-Jazz. Calderon und Jazz, das gibt einen hübschen Anachronismus, der goutiert sein will. Solche Art der Verfremdung ist von großem Reiz und bedeutet vielleicht das Hauptvergnügen an der neuen Oper. Daß Wimberger die „Idee“ des

Cool-Jazz verwendet, heißt nun wieder nicht, er habe eine Jazz-Oper geschrieben. Mit Recht wehrt sich der Komponist gegen diese Unterstellung. Denn er hat nur den „Gestus des Cool-Jazz“ verwendet, „nicht aber dessen Substanz“. Für einen Dialog, der Schlag auf Schlag, locker und witzig kommen muß, eignet sich diese Art präziser und leichtfüßiger Begleitung vortrefflich: es ist eine glasklare, eher trockene, gespannte Musik, die glänzend zur unsentimentalen Heiterkeit der romanischen Komödie paßt.

Jeder wichtigen Figur des Stückes ist statt eines Leitmotivs eine eigene „Combo“, ein besonders abgestimmtes Instrumentalensemble, zugeordnet. Die Dame Kobold selbst ist charakterisiert durch drei Flöten, Glockenspiel, Harfe und Celli, der steife, fmstere Don Luis durch Klarinetten, Cembalo, Bässe und kleine Trommel, der zähneklappernde Diener Cosme durch Xylophon, Klavier, Gitarre und Schlagzeug und so weiter. Dadurch wird die Orchesterbagleitung so durchsichtig wie möglich und so dezent wie nötig. Im übrigen ist das Werk eine Nummernoper, in der die konventionellen Formen der Ensembles ebenso Platz haben wie Blues und Slowfox und Chansons, die hier die Stelle der Arien vertreten. Das ist alles sehr unaufdringlich und geschmackvoll gemacht, verhindert jedoch leider nicht, daß im zweiten Teil der Oper da und dort eine leichte Einförmigkeit der rhythmischen Gestaltung spürbar wird.

Die Grazer Aufführung war locker, filigran und hatte viel Animo. Der Komponist stand selbst am Pult, Rudolf Kautek führte Regie mit leichter Hand, wie es sich für eine so bezaubernde Buffa gehört, Wolfram Skalicki schuf prächtige Dekorationen und Hanna Wartenegg ebensolche Kostüme. Eto Köhrer, Jose“ M. P6rez, Hans Helm und Gottfried Hornik, vor allem aber Mario Aich trafen ausgezeichnet den ungewohnten Stil des Werkes.

Eine musikalisch hübsche, sehr intensive, von Berislav Klobuöar geleitete Neueinstudierung der „Manon Lescaut“ zeigte, über welch gute Puccini-Sänger die Grazer Oper derzeit verfügt.

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