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Das Gedicht
DER WANDERER
Der Apfel ist nicht mein, der Brunnen nicht vorm Haus, noch Blume, Kind und Stein. Ich geh nur ein und aus mit brüderlichem Wind in Dorf und Feld, und Wald, und alle Dinge sind so heilig und uralt.
Mit Regen, Tau und Schnee fällt Stern und Jahr vorbei voll Falter, Korn und Reh ins Lied, dran ich mich freu.
Ich schau die Sonne an: o Armut, die nicht kränkt! O, daß ich atmen kann! Wer hat mich so beschenkt?
AN DAS JAHR
Ließe sich doch deine Fülle erlernen und deine Demut, die nichts mehr behält, sondern reif unter läuternden Sternen in die Herbste Erwartender fällt.
Ängstliche sind wir voll Kargheit des Gebens, die der vergeudete Same schon reut, den über steinigen Äckern des Lebens hoffend wir einst in die Winde gestreut.
Du aber wirfst die Frucht aus den Zäunen, wo der müßige Wanderer geht, nährst die verachtete Maus in den
Scheunen, labst den Bettler, den keiner lädt.
Wandelst Verworfnes in heiligen Stufen, scheuchst auch den Schuldigen nimmer im Zorn, und deine gläubigen Vögel rufen neues Blühn aus verwittertem Dom.
JÄNNER
Kristallner Tag im Eiseshauch: den Horizont färbt goldner Raudi. Ein Baum steht schwarz im Land und sinnt.
Ob irgendwo ein Quell noch rinnt?
Ob unter graugefrornem Lid das Aug des Sees von Tränen blüht? Es schweigt die Welt. Nur Krähensdirei fliegt über Dorf und Wald. Vorbei gehn Wandrer in der Abendstund wie Heilige auf goldnem Grund.
WINTERLIED
O du kühles Schnei’n! Lichtet sich die Nacht? Stirn und Wange rührt mir die Flocke sacht wie ein reiner Kuß her aus Himmelshöhn; o die Liebe macht uns das Herz so schön!
Und das Leben ist wie ein Schweben nur, unter Sternen hin eine stille Spur, und der Tod so leicht wie dies weiße Wehn. Laß mich dir am Mund wie Schnee vergehn.
DAS ZEITLOSE
Die alten Sonnen aber werden kreisen im Weinberg und der süße Grillensang bei Nacht uns die verlornen Wege weisen,
Gewässer mit verschwenderischem Fang die Netze füllen, riesenhafte Mäher die Felder räumen, strenge Pflüger sä’n.
Und immer werden die vertriebnen Seher ergraut vor Gram im Staub der Straßen gehn.
Aus schweren Waben wird der Honig rinnen,
und wo die Hügelnarbe grün verheilt, das Herz der Liebe wieder sich besinnen, dem Kinde gleich, das singend sich verweilt.
Christine Busts, Jahrgang 1915, ist Trägerin des Erzählerpreises der .Furche' (1947) und wurde mit dem Staatlichen Förderungsprets für Lyrik 1950 ausgezeichnet. Die Gedichte sind dem im Verlag Herder (Thomas-Morus-Presse) erschienenen Band .Der Regenbaum' entnommen.
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