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Das große Morden

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VERDUN. Von Georges Blond. Paul-Zsolnaj-Verlag, Wien. 384 Selten. Preis 120 S.

Nach zwei oder drei Dekaden der Schlächterei, allgemeiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zu einer Stunde, in der unvorstellbare Massenvernichtungsmittel erzeugt werden, erscheint es beinahe peripher, ein Buch über die Schlacht bei Ver-dun herauszubringen. Man rufe sich nur einige der Höhepunkte des seither stattgefundenen Mordens ins Gedächtnis: 600.000 Tote im Spanischen Bürgerkrieg, 10 bis 20 Millionen Tote im Gefolge der großen Tschistka in der UdSSR und bei der Liquidierung der Kulaken und ebensoviele Opfer durch den deutschen Angriff, sechs Millionen Opfer der Judenmorde, die Toten Indo-chinas, Algeriens, Koreas und die sechs Millionen Menschen, die, von niemandem beachtet, allein im Kaschmir-„Konflikt“ zwischen Indien und Pakistan umkamen, von Hiroshima und Nagasaki ganz zu schweigen und von den unzähligen Millionen, die in China durch Verfolgung und Hunger starben und sterben, den Opfern, die täglich durch die Armut auf der ganzen Welt zugrunde gehen. Das ergibt eine Bilanz des Grauens, gegen die diese Schlacht des ersten Weltkrieges, die „nur“ 500.000 Tote auf beiden Seiten forderte, verblassen müßte, wenn nicht, ja, wenn nicht, vor allem für die Franzosen, Verdun mit einem letzten Glanz des Heroismus, verzweifelten Widerstandes, Ritterlichkeit, kraftvollen Feldherrentums umgeben wäre.

Verdun, das ist für die Franzosen die „heilige Straße“, über die die Poilus in den Donner der Materialschlacht fuhren, bewegender als das „Marnewunder“, das die Pariser Taxus mobilisierte, weil hier ein wahrer Opfergang gegen einen Usurpator stattfand. Die halbe Million an Opfern, die diese Schlacht forderte, liegt auf dem engen Raum von etwa zehn Quadratkilometer,

mindestens 150.000 wurden nicht bestattet. Die Erde hat sie absorbiert. Im Sommer 1916 hat der Boden des Schlachtfeldes von Verdun einen so hohen Prozentsatz verwesender Kadaver erreicht, wie der auf dem Rücken von Vauquois, welcher bisher den Kriegsrekord gehalten hatte. Ähnliches hat es weder vor dem großen Krieg gegeben noch nachher, und wahrscheinlich wird es auch nie mehr derartiges geben, selbst wenn die Atomwaffen eines Tages ihre Anwendung finden.

Georges Blond ist es gelungen, mit einer wahrhaft liebevollen Erfassung sämtlicher Quellen eine Darstellung dieses großen Schlachtens zu geben, die trotz allem, was wir erlebt oder erfahren haben mögen, ergreifend direkt ist. Er ist dabei von einer beinahe übermenschlichen Objektivität, die beiden Seiten ihre Art von Recht oder Wahnsinn — wie man will — zubilligt Daß er Potains Leistung bewundert, ist mehr als recht und billig, was aber das unvergeßliche Verdienst seines Buches ausmacht, ist das aus einer geradezu bestürzenden Kenntnis der Details erwachsende Mitleiden mit den Opfern der Schlacht.

Georges Blonds Buch, scheinbar und groteskerweise unserer Geschichtlichkeit entrückt, ist ein wahres Fanal, mehr als alle bisher erschienenen subjektiven, berühmten Berichte aus dem ersten Weltkrieg — wie etwa Dorgeles „Hölzerne Kreuze“, Barbusses „Le Feu“, Renns „Krieg“ oder Remarques „Im Westen nichts Neues“ — durch seine im Abstand geläuterte Objektivität, sein menschliches Engagement, das aus einer viel jüngeren Generation als der der Verdunkämpfer kommt, weil er in christlicher und brüderlicher Liebe all das entsetzliche Leid, das damals und später geschah, zu umarmen und zu begreifen sucht Claus Pack

„BITTE, MICH UM 8 UHR WECKEN — A. HITLER.“ Ein Notizblatt mit dieser rasch hingeworfenen Zeichnung, vermutlich aus den Jahren vor 1933, gehört bei all seiner Banalität zu den Dokumenten, die die Katastrophe' überdauerten. Aus der Fülle der Archivbestände an Bildern, Akten und anderem dokumentarischem Material wählte Karl Dietrich Bacher, Professor für Zeitgeschichte und politische Wissenschaft an der Universität Bonn, eine sehr prägnante Folge für seinen Bildband „Adolf Hitler“, erschienen in der Reihe „Archiv der Weltgeschichte“ (Scherz Verlag Bern-München-Wien, 78 Seiten, Preis: broschiert S 50.30, Leinen S 72.50). Hitlers Mutter, von einem anonymen Braunauer Porträtphotographen aufgenommen, Gelgenheitsphotos und schließlich vielfältige Pose für Heinrich Hoffmann, den gelreuen Zelluloidrecken, bis zum gespenstischen Profilporträt aus den Apriltagen des Jahres 1945. Der „Künstler“ Hitler versucht sich anfangs mit idyllischen Städtebildern, später mit Uniform- und Ordensentwürfen, Skizzen für gewaltige Architekturen und legte mit hastigen Kritzelstrichen den Plan für ein „Grabmal des Führers“ fest...

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