6562631-1949_11_13.jpg
Digital In Arbeit

Das Kind im Kriege

Werbung
Werbung
Werbung

Zum drittenmal — nach „Sciuscia“ und „Irgendwo in Europa“ — erhebt sich aus einem bedeutenden europäischen Film, „Suchende Herzen“ („Die Gezeichneten“), der Jammer der schuldlosesten Opfer des Krieses, der elternlosen, heimatlosen Kinder. Motive aus einem weiteren Film, der Tragödie der jüdischen DPs, „Der weite Weg“, klingen mit. Ein Stilvergleich ergibt, daß dem neuen Film die Härte und Geschlossenheit seiner Vorgänger fehlt. Vielleicht haben nationale usgleichungen (der Schweizer Film wurde von einem österreichischen Regisseur mit amerikanischen Darstellern in Deutschland gedreht) mitgetan, die scharfen Kanten abzu- scbleifen. Zwar beginnt der Film mit atembeklemmenden Bildern vom Sammeln der verschreckten, verprügelten, „gezeichneten“ Kinder, dann aber überwuchert eine verbindliche, gemütvolle Spielhandlung, aufgelockert durch — wohl zum erstenmal in dem grausigen Thema — Töne eines sanften, v-rsöhnlichen Humors. Mit taktvoller Unaufdringlichkeit zeigt der Film die eminent wichtige Notlösung karitativer Soforthilfe durch amerikanische Hilfsorganisationen. Die Frage, wie sich das Schicksal dieser Kinder in weiterer Zukunft gestalten wird, bleibt unberührt. Im ganzen ein schöner, ergreifender, gehaltvoller Film, dem die erstaunliche Spiellristung eines Buben und die sympathische Rolle eines amerikanischen Soldaten breiteste Publikumswirkung sichern.

„Der Herr vom andern Stern“ (deutsch) ist eine geistreiche Verspottung von Auswüchsen der menschlichen Organisation, die von, Regie, Kamera und Musik die intelligentexperimentellen Stüzüge eines politischen Kabaretts, vom Hauptdarsteller Rühmann die warmen Lichter Jean Paulschan Humors bezieht. — Der ungekrönten Henrscherin des Eiskunstlaufens und d-s Dollarschaufelns -Sonja Henie gibt der amerikanische Film „Die E i s k ö n i g i n“ Gelegenheit, ihr nach wie vor großes sportliches Können zu zeigen; auf den Brettern, die die Welt bedeuten, bedeutet sie nach wir vor nichts.

Eine Reprise des 25 Jahre alten Stummfilms „D er Sohn des Scheichs“ stört die Grabesruhe Rudolph Valentinos und Vilma Bankys. Ein unnotwendiges Experiment. Die Produktion der Moderne hat sich noch nicht so weit über das geistige Tertiär des Film erhoben, daß ihr schon darüber zu spotten erlaubt ist. — Ohne Diskussion abgelehnt: „Blanche Fury“ (Farbfilm, engl.), Geschichte eines blut- und bodenbese eilen englischen Adeligen, der über Ehebruch, Doppelmord und Mordversuch zielbewußt dem Galgen zusaust. Unfaßbar, was für „Abgründe“ diese periodischen Mordperfektionen des englischen Films von seinen viel selteneren „Hamlets“ trennen. — Schwieriger Fegt der Fall eines anderen, bedeutenderen englischen Films, „Black Narcissu s“. Die psychologische Spannung des an sich wertvollen Stoffes Erlebnisse und Konflikte einer Gruppe geistlicher Schwestern auf dem ungewohnten Posten einer Exposition auf dem Himalaja — verzettelt sich an bedenkliche erotische und andere Sensationen. Die religiöse Umwelt wird zum bloßen Emblem des Effekts — eine eminente Gefahr des heute so beliebten „katholischen Films“ der weltlichen Produktion überhaupt. — Saubere Handwerksarbeit liefert der österreichisch,. Kriminalfilm „Lambert fühlt sich bedroht“. Es fehlt vor allem die pathologische Überreiztheit der englischen Serienproduktion, ohne daß deswegen die Spannung litte. — Ein Werk von starker Eindringlichkeit ist der russische Film „Die sich nicht beugen ließen“, Erlebnisse einer ukrainischen Familie in der Zeit der deutschen Besetzung. Eine unerträgliche deutsche Synchronisierung nimmt den Darstellern viel von ihrer Eigenart und Ursprünglichkeit. Unverständlich ist die kindische Diskussion über die Feigheit des Sichgefangennehmen- lassens. Der „Gefechtsschrciber“ dieses Drehbuches war — hundert gegen eins zu wetten — nicht unter jenen hunderttausenden russischen Soldaten, die sich einmal, mit einem Karabiner ohne einen Schuß Munition und vom Groc der Truppe abgehängt, einem Painzerrudel des Gegners gegenübergesehen und ehrenhaft ergeben haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung