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Digital In Arbeit

Das Leben hält Unterricht

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Ein Lehrzimmer in der Hauptschule von Z. Es ist Erdkundestunde. Die Kinder sind über Heft und Atlas gebeugt und zeichnen eifrig. Es ist Ihnen die Aufgabe gestellt, die Fabriken des Bezirkes anzuführen und in eine Kartenskizze einzutragen. Diese Zeichnung wird dem Lehrer die Überprüfung der Schülerleistung ermöglichen, sie ist natürlich auch eine sehr bequeme und überaus anschauliche Festhaltung des Arbeitsergebnisses. Die Schüler arbeiten still und in gegenseitigem Wettbewerb. Erst bei genauerem Hinsehen erfasse ich die technische Voraussetzung des Verfahrens. Die Kinder zeichnen nicht gänzlich frei. Sie bedienen sich einer mit Stempel in ihr Heft abgedruckten Umrißskizze als Führung und Unterlage. Ich blättere ein Heft durch. Die Umrißskizzen desselben Gebietes finden sich wiederholt vor, aber jedesmal in anderer Bearbei-

an jedem Tisch zwei Bleiplatten, ein Glasgefäß, verdünnte Schwefelsäure, eine Klingel, Leitungsdraht und eine Taschenbatterie. Sie laden den selbst hergestellten Akku mit der Taschenbatterie. Nach Umlegen der Verbindungen kommt die Klingel, vom Akku betrieben, zum Läuten. Die Arbeitstische für je vier Schüler sind durchwegs mit einfachem Gerät ausgestattet. Die Geräte sind nur Bauelemente. Sie gestatten eine Unzahl von Kombinationen, woraus sich die verschiedenen Versuchsanordnungen ergeben. Das macht die Anschaffungskosten niedrig. Es ist aber auch unter- richtlich wertvoll, einfach und übersichtlich.

In der nächsten Stunde wird vom Rundfunk und von elektrischen Schwingungen gesprochen. Es wird nicht nur gesprochen, auch Versuche werden darüber gemacht. Unwahrscheinlich, daß in tung. Einmal sind die Siedlungen, dann die Verkehrswege, die Bodenformen usw. eingetragen. Ich bin erstaunt über diese Art von Lehrmittel. Es ist etwas ganz anderes, als was uns Älteren unter dem Begriff Lehrmittel geläufig war. Es ist nicht nur Grundlage der Anschauung, es ist Werkstoff für die eigene selbständige Arbeit der Schüler.

Im Physiksaal. Man bespricht gerade den Akkumulator, woraus er besteht und wie er funktioniert. Die Kinder schlagen vor, einen Versuch zu machen. Der Lehrer erklärt sich absolut außerstande, ihn durchzuführen, bevor er nicht genaue Anweisungen dafür erhält. Die Kinder machen selbst Vorschläge zur Durchführung des Versuches, schließlich bekommt wirklich jede Schülergruppe der Schule etwas Aktuelles, etwas, was die Leute brennend interessiert, behandelt wird.

Biologiestunde. Man bespricht gerade das Leben des Teiches. Der Lehrer entschuldigt sich, daß der Unterricht nicht im Freien stattfindet: das Wetter ist nicht am besten. Man muß sich also auf Sam- melmaterial und Bilder beschränken. Ein Junge bringt ein kleines Diorama herein, es stellt einen kleinen Landschaftsausschnitt dar, plastisch gearbeitet mit Bodenformen, Andeutung des Wassers, mit präparierten Pflanzfen und Tieren. Es sind Insekten Krebse, Spinnen in der Sammlung, aber auch Weichtiere, sogar Fische. Amphibien und Reptilien. Pflanzen und Tiere werden heute nicht mehr nach systematischer Ordnung in der Schule behandelt, sondern in dem Zusammenhang, wie sie in der freien Nato Vorkommen, äls „Lebensgemeinschaft eitles Standortes“, wie es eben das kleine Diorama darstellt. Ich sehe mich ein wenig an deh Wänden um und finde neben einer Unmenge von Schülerarbeiten Wandbilder, modern in Zeichnung und Farbgebung. Neben den natürgeschichtlichen Themen beeindrucken mich die technologischen Dar stellungen, die darüber Aufklärung geben, woher die Dinge unseres täglichen Gebrauchs letzten Endes kommen und A'elche Erzeugungswege sie durchge macht haben.

Gewiß, der unterrichtliche Erfolg wird immer irgendwie auf die Persönlichkeit des Lehrers gegründet sein. Aber ich fürchte, daß auch das größte pädagogische Genie in seinem Wirken zur Unfruchtbarkeit verdammt ist, wenn ihm die richtigen Lehrmittel fehlen.

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