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Aufgaben und Sorgen der Produktion

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Das im Jahre 1869 erlassene Reichsvolksschulgesetz hat auch auf das Lehrmittelwesen in Österreich befruchtend gewirkt. Es dürfte so auch der Verlagskatalog der Firma A. Pichlers Witwe & Sohn vom Jahre 1870, der neben einer großen Anzahl von pädagogischen Werken und Schulbüchern erstmalig auch ein recht ansehnliches Lehrmittelverzeichnis enthielt, so ziemlich der älteste österreichische Lehrmittelkatalog 6ein, der allen Schulen der damaligen Donaumonarchie ZUT Auswahl ihres Bedarfes zugesandt worden ist.

Wie umfangreich, vielseitig und interessant dieses pädagogische Sondergebiet ist, feommt erst richtig zu Bewußtsein, wenn man einen Blick in die Ausstellung - und Lagerräume einer großen Lehrmittelanstalt geworfen hat. Fast für jeden Unterrichtsgegenstand gibt es Lehr- behelfe, die sozusagen zum täglich benötigten Handwerkszeug des Lehrers gehören! Sei es, daß es gilt, den Kleinsten mehr Freude am Lesen und Rechnen zu machen, indem man sie aus großen Einzelbuchstaben Worte bauen oder mit Hilfe von Kugeln, Würfeln und anderem Zahlen darstellen läßt, sei es, daß den Größeren im Erdkundeunterricht der Verlauf der Alpen und Karpaten gezeigt, in Staatsbürgerkunde die österreichische Bundesverfassung erklärt, im Naturgeschichtsunterricht die Kreuzotter besprochen oder in Physik das Phänomen des luftverdünnten Raumes dargestellt werden muß, immer muß der Lehrer zum Lehrbehelf, zum Lehrmittel greifen, um das betreffende Problem ad oculos demonstrieren zu können. Daß diese tausend Dinge, wie Rechenmaschinen, Leseapparate, Landkarten, Skelette, Stopf-, Flüssigkeits- und Trockenpräparate, anatomische Modelle, mikroskopische Präparate, Wandbilder, physikalische Aufbaugeräte und Demonstrationsapparate, chemische Gerätschaften, Chemikalien und Mineralien, den Schulen zur Verfügung 6tehen, dafür haben die österreichischen Lehrmittelerzeuger und -handler zu sorgen. Und daß diese dabei so manche Sorgen haben, kann man ohne weiteres glaubenl Ein kleines Beispiel hiefür: Die etwa 200 österreichischen

Mittelschulen brauchen dringendst bestimmte Wandbilder. Von einem farbigen Wandbild aber, dessen Herstellung auf jeden Fall einige tausend Schilling kosten würde, muß man mindestens 2000 Stück drucken! Wenn man aber noch weiß, daß von den 200 Interessenten nur ein kleiner Teil über die zur Anschaffung solcher Bilder nötigen Geldmittel verfügt, dann ist wirklich guter Rat teuer! Es kommt also für den Lehrmittelhersteller zu Problem I, nämlich dem der verhältnismäßig geringen Zahl der Schulen, als Problem II die betrübliche Tatsache, daß die Lehrmittelbudgets speziell der österreichischen Mittelschulen mehr als bescheiden sind.

Trotz dieser nicht unerheblichen Schwierigkeiten haben die österreichischen Lehrmittelanstalten seit dem Jahre 1945, als nämlich wieder einmal neu begonnen werden mußte, doch schon eine ganze Reihe neuer und guter Lehrmittel geschaffen, so daß die durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse stark mitgenommenen Lehrmittelsammlungen der Schulen, soweit es allerdings ihr knappes Budget überhaupt erlaubte, zum Teil wieder einen befriedigenden Stand erreicht. Es ist nur bedauerlich, daß mit den privaten /Lehrmittelanstalten, die seit Jahrzehnten die österreichischen Schulen zufriedenstellend mit Lehrmitteln versorgt hatten, neuerdings auch die öffentliche Hand in direkten Wettbewerb getreten ist.. Ist denn an Sozialisierungsmaßnahmen noch nicht genug geschehen?

Im Interesse des Ausbaues unseres Lehrmittelwesens wäre es hingegen durchaus zu begrüßen, wenn sich der Staat beziehungsweise die hiefür zuständigen Schulbehörden intensiver mit den verschiedenen Problemen bei der Schaf-

fung neuer Lehrmittel befassen würden. Bei sinnvoller Organisation und direkter Zusammenarbeit mit den Lehrmittelfirmen könnten manche Schwierigkeiten überwunden werden, und es würde sich letzten Endes immer wieder heraussteilen, daß mit verhältnismäßig geringen Mitteln — verglichen mit den manchmal vielleicht nicht ganz zweckmäßig angewendeten ERP- oder TotomitteJn, für unsere Schulen wertvolle Lehrmittel geschaffen werden könnten. Das erstrebenswerte Ziel der verantwortungsbewußten Lehrmittelanstalt ist und bleibt: Der österreichischen Schule — das beste Lehrmittel!

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