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Heizen oder mehr lernen

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Alarm: Vermehrt klagen Lehrer und Eltern darüber, daß die gutgemeinte Schulautonomie mit neuen Möglichkeiten der Gestaltung eines eigenen Schulprofils mittels autonomer Lehr- und Stundenplanbestimmung an der jeweiligen Schule zu einer Mängelverwaltung wird. Grund: Kein Geld und als Konsequenz eisernes Sparen an der Bildung des Nachwuchses. Die zur Herausbildung autonomer Vorstellungen benötigte Phantasie der Schulgemeinschafts-ausschüsse (in Drittelparität Eltern-Lehrer-Schüler plus Direktor besetzt) muß jetzt, statt innovativ wirken zu können, dazu eingesetzt werden, herauszubekommen, was alles nicht mehr an unseren Schulen geht. Dabei sind als Mißbräuche angeprangerte sogenannte freie Übungen (als Extrembeispiel wurde da immer der Lehrer zitiert, der mit nur fünf Schülern Fußball spielt- was es gegeben hat) „ohnehin schon Schnee von vorgestern", so Edith Marktl, Schulsprecherin im Österreichischen Familienbund und seit Jahren im Elternbeirat des Unterrichtsministeriums tätig, in einem Gespräch mit der furche.

Momentan beginnt das Sparen bereits an den Grundzielen, an der Substanz unseres Bildungssystems zu nagen. Die mit 1. Jänner dieses Jahres — teils unter Protest der Direktoren - den Schulen überantwortete finanzielle Autonomie bedeutet zwar, daß man zwischen verschiedenen Töpfen rasch wechseln kann, was es früher nicht gab, beschert den Schulen aber gleichzeitig weniger Inhalt in den Töpfen - und das bei enorm steigenden Kosten.

Marktl schildert die dramatische Situation an unseren Schulen: „Jetzt geht es schon darum, daß man, um heizen zu können, sowohl für Schulveranstaltungen als auch für Lehrerfortbildung weniger ausgeben muß.

Es ist Tatsache, daß es Schulen gibt, wo Schüler, weil beim Heizen gespart wird, warm angezogen in den Klassen sitzen." Dazu kommt noch eine überhaupt unklare Budgetsituation. „Es ist zwar den Schulen versprochen worden", so Marktl, „gegenüber dem Vorjahr nichts mehr einzusparen, aber das ist momentan alles in der Schwebe, sodaß niemand weiß, über welche Summe er verfügt - was beim Heizen ja besonders witzig ist, weil ich das jetzt wissen muß.

Desgleichen geht es bei Schulveranstaltungen um längerfristige Planung, und die ist derzeit unmöglich. Die Schulen stecken in einer sehr schwierigen Situation."

Die Hoffnung richtet sich nun auf die Elternvereine: „Sie kommen sehr stark ins Spiel und werden, zum Teil sehr unverblümt, aufgerufen, zur Regelung von Schulveranstaltungen einiges beizutragen." Drastisch formuliert könnte das bedeuten, daß die Elternvereine von ihrer bisher unterstützenden Rolle überhaupt in die Aufgabe der Schulmiterhaltung hineinwachsen. Marktl meint, daß es vielleicht nicht um Schulerhaltung, wohl aber um Erhaltung von Zusatzangeboten - wie zum Beispiel beim Fremdsprachenerwerb —, die das österreichische Schulwesen forcieren möchte, geht. „Eigentlich entsteht da eine Form von Selbstbehalt, kein ausgesprochener, aber ein verdeckter", sagt Marktl.

Ein Problem der finanziellen Autonomie der Schulen besteht auch darin, daß der Schulge-meinschaftsausschuß das Recht hat, über die Verwendung von finanziellen Mitteln zu beraten.

Dazu - heißt es von Eltern-, Lehrer- und Schülerseite -müßte man die Zahlen kennen, die schulbudgetären Ansätze. An manchen Schulen funktioniert das, an anderen wiederum rückt der Direktor nicht mit Einzelheiten heraus, wodurch es zu Spannungen kommt; speziell dann, wenn es um die konkurrierenden Posten von Lehrerfortbildung und Schulveranstaltungen geht.

Die finanzielle Autonomie der Schulen läßt jetzt auch überdeutlich jene Fehler der Vergangenheit aufscheinen, die bezüglich Gebäudeinstandhaltung und -renovierung gemacht wurden. Weil seitens der Bundesgebäudeverwaltung nicht entsprechende Maßnahmen wie Wärmedämmung gesetzt wurden, wurden jahrelang Schulen überheizt - jetzt beim notwendigen Sparkurs rächen sich Versäumnisse doppelt. „Was mich stört", so Marktl, „ist, daß sich der Staat lange nicht überlegt hat, wie wir mehr einsparen können im Unterrichtswesen - und nun wird das voll auf die Schulen übergewälzt. Gott sei Dank entwickeln sie genügend Phantasie, muß man wirklich sagen."

Schulautonomie - jetzt auch im finanziellen Bereich - erfordert ' von allen Schulpartnern ein Mehr an Information und Schulung. Hier müßte der Staat dafür sorgen, daß der Informationsstand der Schulpartner ein hoher ist. Gerade im Schulbereich hat man, bevor es zu Sparbudgets gekommen ist, sehr viel an Innovation unternommen - „was Geld kostete", so Marktl. „Das hat begonnen bei der Integration bis hin zu den Wahlpflichtfächern. Dabei ist der Spielraum im Unterrichtsbudget über den personellen Bereich hinaus minimal. Aufgrund der Altersstruktur der Lehrer wird dieser Anteil wegen der Sprünge noch steigen. Allein wenn man den Lehrerstand hält, explodiert das in den nächsten Jahren."

„Schulsparen" könnte dazu führen, daß Entwicklungen im Lernprozeß, die sich stark an den Interessen der Schüler orientieren, wieder verlorengehen, wie zum Beispiel Wahlpflichtfächer und moderne Unterrichtsformen. Es könnte auch jene falsche Entwicklung einleiten, die eine Aufbruchsstimmung an vielen Schulen, die Lehrer gehabt haben, die sich auf die Autonomie eingelassen haben, wieder stoppt. Die Verärgerung der Eltern darüber, daß jetzt, wo gespart werden muß, eine Stundensenkung - langjährige vergebliche Forderung von Elternvereinen - plötzlich möglich ist, ist ohnehin schon groß genug.

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