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Das unruhige Herz

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Nicht eher ruhet das Herz. Roman. Von Henry Longan Stuart. Verlag Bonner Buchgemeinde, Bonn. 472 Seiten. Preis 14.50 DM.

In der Form einer breit angelegten Selbstbiographie aus dem 17. Jahrhundert erzählt der amerikanische Autor einen kurzen Abschnitt aus der Lebensgeschichte des Richard Fitzsimon, eines katholischen irischen Offiziers, der als Gefangener Crom-wells nach Amerika deportiert und dort als Leibeigener auf eine Farm geschickt wird. Hier begegnet ihm, der, als er noch frei war, Jesuitenpater werden wollte, in Agnes, seiner Herrin, die verführerische Gewalt irdischer Liebe, der er verfällt, gegen alle Einwände seines sehr wachen Gewissens und in der spitzfindigen Abwehr aller ihm von Gott immer wieder gebotenen Ausweichmöglichkeiten. Alle Phasen einer schuldhaften Leidenschaft werden mit psychologischem Scharfblick aufgerollt, die unausweichlichen Verstrickungen in immer neue Schuld konsequent geschildert, nachdem die erste Entscheidung zur Sünde erfolgt ist. Und ganz lebendig und realistisch stellt Stuart die irdischen Geschehnisse in metaphysische Zusammenhänge. Darin liegt die besondere Bedeutung des Buches. Der Jesuitenpater Jogues faßt das am Schluß der Tragödie, die vor dem Leser abläuft, noch einmal zusammen:

„Bewußt oder unbewußt fühlt ein jeder die Vergänglichkeit und die WesenlosigkeH der We/t als schwere Last auf seiner Seele, denn alles, wohin er sich auch wenden mag. gewahnt ihn an seine Pilgerfahrt; was er für immer zu besitzen erstrebt, ist ihm nur für kurze Zeit geliehen, und was er festhalten möchte, damit es seinen Freuden und Zielen diene, verläßt ihn um des eigenen Vorteils willen. Dies, Richard, ist die berühmte Melancholie der Liebe, die nie zu stillende Sehnsucht nach Besitz. Dies eine Wesen zufälliger Begegnung, seHHSücnrig betrachtet, geliebt und begehrt, steht vor allen Menschen als Symbol für die ganze Welt. Gelingt es, gerade dieses eine zu besitzen und festzuhalten, so glauben sie, die Welt könne ihnen nicht r.tehr entfliehen. Siehe, das Unfühlbare wurde berührt, das Geistige ist Fleisch ge-iorden und Unerreichbares erreicht. Ihr selbst habt mir gebeich.et, Richard, Ihr hätttt, als Ihr diese arme Frau zum erstenmal gesehen, Eurem Herzen gesagt: Mier, in diesen Armen finde ich endlich den Frieden, hier ist das Ziel aller Mühe, aller Wanderschaft.' Das Ziel, Richard, ist nicht hier, das Ziel ist im Himmel.

Die Ehe, die im Wesen wahrhaftig eins ist, auf der höchster Schutz und Segen ruht ist nichts anderes als eine schmerzensreiche und mühselige Pilgerfahrt dorthin, bei der keiner des anderen Hand lassen darf. Und jene anderen, auf denen Gottes Segen nicht ruht . .. sie gleichen Schiffbrüchige, die sich anein-anderklammern und gemeinsam untergehen.“

Hochzeitsglocken. (Der baskische Himmel und Marie.) Von Francis Jammes. Deutsch von Jacob Hegner. Fischer-Bücherei, Nr. 181. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt am Main. 143 Seiten. Preis 1.90 DM.

Die Atmosphäre der beiden in diesem Bändchen zusammengefaßten Geschichten ist herber und unromantischer als Jammes' sonstige Prosa. Ein Loblied baskischer Lebenshaltung die erste: „Da waltete Anstand, Genügsamkeit und Gehorsam gegen väterliches sowohl wie diesem mitverbundenes göttliches Gebot.“ Doch in diese Welt voll hoher Tugenden spielen Irrlichter hinein, die leichtlebige Daseinsauffassung der Gascogner und vor allem Yuanas gefährlicher Zauber, deren Zigeunertemperament und naive Sinnenhaftigkeit den jungen Basken Manech zeitweilig innerlich aus dem Gleichgewicht bringen ... Aber schließlich endet sein Weg, nachdem er in Amerika ein Vermögen verdient hat und während all dieser Jahr Kattalin, seiner Verlobten, treugeblieben ist, in seiner Heimat im Althergebrachten. „Er war ein Baske und treu.“ — In „Marie oder die Geschichte eines jungen Mädchens vom Land“ steht da demütige, fast liebliche Sich-Bescheiden im Mittelpunkt des Geschehens. Der Höhepunkt der Geschichte ist ihr Schluß, Maries späte Heirat, eine Vernunftehe („Le mariage de raison“ ist der französische Titel), von der es heißt: „In der Romanwelt würde Marie unbedingt als Opferlamm hingestellt werden ... Es verhielt sich aber anders. Marie nahm gern und mit ihrem guten Lächeln den Mann an, der sie von der Ehelosigkeit und von ihrer großen Sorge zu befreien bereit war: der Sorge, niemals Mutter zu. werden.“ N

Mit köstlicher Anmut ist das Einfache, Alltägliche in diesen beiden Geschichten geschildert. Und, wie immer bei Jammes, verbindet sich eine kindliche Frömmigkeit mit einer sehr ursprünglichen Sinnenfreude, die am Rand selbst in der so strengen Welt, die hier eingefangen wurde, durchbricht. — Bisher nur in der kultivierten Ausgabe des Hegner-Verlages zugänglich, werden diese beiden Geschichten als Taschenbuch sicher einen größeren Leserkreis finden.

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