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Der Dichter beider Hemisphären

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Durch die ausgezeichneten biographischen und editorischen Arbeiten von Eduard Castle ist Seals- field in den letzten Jahren wieder bekannter geworden. Er war nie ganz vergessen, aber dieser sonderbare „Amerikaner” aus Poppitz in Mähren, der eigentlich Karl Postl hieß (und 1793 zur Welt kam), der einmal katholische Theologie studiert hatte, Priester geworden war und Sekretär des Generalgroßmeisters der Kreuzherren in Prag, dann aber absprang, verschwand und untertauchte und später als Charles Sealsfield ein etwas ruheloses und geheimnisvolles Leben führte und 1S64 im schweizerischen Solothurn gestorben ist, schien in unserem Jahrhundert literarisch nicht mehr attraktiv genug zu sein, um sich seiner anderswo noch zu erinnern als in Literaturgeschichten. Seine. Diktion, war. un- , modern gewrpttjen. Er sgįtieb so her msgringenij und kokett wie der jüngere Stifter noch in den, „Feldblumen”, und Geschmack war nicht gerade das, was ihn besonders ausgezeichnet hat. Es ist auch immer noch fraglich, ob man ihm bedeutendere dichterische Dimensionen Zutrauen darf, obwohl seine „ethnographischen Romane” eine Zeitlang sehr berühmt gewesen sind. Aber er ist immerhin einer der ersten gewesen, der den Osten und vor allem den Süden Nordamerikas für die amerikanische Literatur und für die Europäer entdeckt hat. Das war in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Damals entstanden seine farbenprächtigen und rassig geschriebenen „Transatlantischen Reiseskizzen” (1833), sein großartiges „Kajütenbuch” (1841) und unter anderem auch seine „Lebensbilder aus beiden Hemisphären” (1835 bis 1837). Sie haben nun Zeitgeschmack. Man spürt Jean Paul hindurch und Chateaubriand und die salopp-journalistische Manier der Gutzkowianer, und sie zaubern ein Amerika herauf, das nun schon in die Geschichte eingegangen ist.

So läßt es sich vollauf rechtfertigen, daß ihm ein Bändchen der Sammlung „Oesterreichisches Wort” (Oesterreichische Dichtung aus acht Jahrhunderten) gewidmet worden ist, obwohl er dem k. k. Oesterreich mit seinem bissigen „Austria as it is” (1828) nicht gerade viel Vergnügen bereitet , hat. Aber, das sind nun schon alte Geschichten; denn im Herzen und mit Postlscher Haßliebe hing er doch an seiner Heimat, und einmal wollte der Herumgetriebene auch allen Ernstes wieder zurückkehren. Es gelang ihm nicht, und er starb, ziemlich verlassen, in der Schweiz. Als ihn die Brüder von der Loge nicht mehr gebrauchen konnten, ließen sie ihn fallen, und Casęle deutete sogar an. daß sie ihm vermutlich noch den Nachlaß ausgeräumt haben, denn etliche der Sealsfieldschen Manuskripte sind seither unauffindbar verschwunden.

Das Sealsfield-Bändchen (Nummer 8 der Stiasny- Bücherei) enthält eine Kurzbiographie und drei Geschichten Sealsfields. Das Lebensbild ist ausgezeichnet geraten, knapp, klar und alles Wichtige zusammenfassend, ptäzis und zuverlässig, durchaus sachlich und ohne jede Animosität. Weniger überzeugend wirken die ausgewählten Texte. An der sozusagen tragikomischen Humoreske „Christophorus Bärenhäuter” wird man zwar sein Vergnügen haben (sie ist ein echter Sealsfield), aber „Ralph Doughbys Esq. Brautfahrt” ist ein überchargiertes Stück und zu turbulent geraten. Im „Kajütenbuch” hätte man Besseres finden können.

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