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Der Opa wünscht sich noch viele Enkel

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Wie viele afrikanische Kinder? Das war der Titel eines Dokumentarfilms, den Ariel Risz vor 20 Jahren im Kongo drehte. Das Thema ist brennend aktuell.

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Wie viele afrikanische Kinder? Das war der Titel eines Dokumentarfilms, den Ariel Risz vor 20 Jahren im Kongo drehte. Das Thema ist brennend aktuell.

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Mit durchschnittlich 5,8 Kindern per Afrikanerin und begrenzten landwirtschaftlichen Anbauflächen sind Hungersnöte südlich der Sahara programmiert. Der Film gab die Diskussion einer Familie über eben dieses heikle Problem wieder, wieviel Kinder man und warum haben sollte. Beteiligt waren der Großvater, die Großmutter, ihre drei Töchter und darum herum einige Enkelkinder.

Der Großvater plädierte für möglichst viele Kinder, Ehre für den Vater und Garanten für ein gesichertes Alter. Die Töchter hielten ihm die hohen Kosten des Schulbesuchs vor. Der gemeinsame Nenner aller Aussagen bestand jedoch in der Sorge einerseits um das Wohlergehen der Kinder, andererseits um die Absicherung des Lebensabends der Eltern. Die wirkliche Diskussion drehte sich, bei der Familie ebenso wie über all auf dem Schwarzen Kontinent, um diese beiden Probleme. Einst gab es gesicherte Vorstellungen über das, was richtig war.

Uber den ganzen Kontinent südlich der Sahara hinweg hatte sich seit Menschengedenken ein einfaches, aber effizientes System der Geburtenregelung bewährt. Einem Mann war es verboten, mit seiner Frau zu schlafen, solange sie ihr Kind stillte. Und es war selbstverständlich, daß sie ihr Kind etwa drei Jahre lang zu stillen hatte.

Mindestens vier Jahre lagen so zwischen den einzelnen Geburten und damit im Schnitt fünf Kinder pro Frau, in der Praxis vier. Mit dieser Methode wurde vor allem die Frau geschont, genauso wie das Kind, das lange an der Mutterbrust ernährt wurde, kräftig und widerstandsfähig werden konnte. Das war notwendig genug. In der feindlichen Umwelt des tropischen Afrika überlebte kaum die Hälfte der Kinder bis zum zwanzigsten Lebensjahr.

SKEPSIS GEGENÜBER PILLE

Kolonisation und Unabhängigkeit ließen diese traditionelle Methode bis ins letzte Dorf hinein als rückständig erscheinen. Der Mann weigert sich heute, zu warten. Zusammen mit der besseren medizinischen Versorgung konnte die Bevölkerungsexplosion nicht ausbleiben. Dessen sind sich besonders afrikanische Frauen aller Schichten sehr wohl bewußt.

Die Schulkosten bei einer hohen Kinderzahl können sich nur die wenigsten Eltern leisten. Wegen mangelnder Ausbildung arbeitslose Kinder wiederum können ihre Eltern nicht erhalten.

Die offiziell propagierten Verhütungsmittel, Pille und Kondom, stoßen auf Skepsis. Bei dem lockeren Verhältnis der Afrikanerin zu Zeit und Organisation vergessen hier auch Universitätsabsolventinnen immer wieder auf die nötige Regelmäßigkeit der Einnahme und das allseits beklagte Ergebnis der Pille sind - mehr Kinder. Kondome sind, im Gegenwert von zwei bis fünf mittleren Arbeitsstunden, für die meisten unerschwinglich.

Auf unser Preis-Lohnverhältnis übertragen, entspricht der Preis eines Kondoms in Afrika mindestens 150 Schilling. Zeitlich begrenzte Gratisverteilungen und Verbilligungssubventionen sind Augenauswischerei. Kondome werden wiederverwendet, bis sie zerreißen. Andererseits fließen für die Propagierung dringend benötigte Mittel in die Entwicklungsländer.

Bleibt von modernen Methoden der Geburtenregelung nur die von Knaus-Ogino. Im Kongo haben sich selbst Dörflerinnen angewohnt, in Perioden zu denken. In den Ländern mit entwickeltem Schulsystem hat sie bereits Wirksamkeit gezeigt, im Kongo, in Gabun und Kamerun sank die Geburtenrate von sechs auf durchschnittlich 3,5 Kinder po Frau. Langsamer, aber doch bedeutsam sank sie in Ländern wie Ruanda (von 8,1 1980 auf 6,5 zehn Jahre später), Mauretanien (von 6,1 auf 5,4) oder Tansanien (von 6,7 auf 5,9).

Das ist noch immer zuviel für die Lebensmittelressourcen des Kontinents. Statt Zeit und Energie mit passionierten Debatten weit weg von der Wirklichkeit zu vergeuden, sollte man daher die vorhandene Energie auf realistische Aufklärung konzentrieren.

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