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Das Paradies des Menschen ist sein Garten. Anmerkungen zum aktuellen Gartenkult.

Regelmäßig im Frühjahr stürmen Scharen von Hobbygärtnern die Baumärkte, decken sich mit Gartengerät und Düngemitteln aller Art ein und sorgen damit für eine im wahrsten Sinne des Wortes florierende Wirtschaft (und für überdüngte Rasen). Längst ist bekannt, dass sich mit Garten Geld machen lässt. Gärtnern ist in, gerade in der Stadt und an ihren Rändern.

Die Journalistin Ingrid Greisenegger ist der Frage nachgegangen, wie viel Garten der Mensch eigentlich braucht, und bietet in ihrem Buch sowohl imposante Daten und Fakten als auch noch interessantere Erklärungsmuster für den Gartentrend.

Zunächst zu den Zahlen, die allerdings ihrerseits schon Symbolwert besitzen: Der Rasenmäher, so Greisenegger, hat als Statussymbol das Auto abgelöst. 100 Millionen ziehen auf Europas Rasenflächen ihre Spur, drei Millionen werden jährlich neu gekauft. Neuester Trend: unabhängig von der Größe bzw. Kleinheit des Gartens sind vor allem die zum Draufsitzen gefragt - der Gärtner als kleiner Möchtegernbauer?

Eine andere imposante Zahl: 2.300 km Thujenhecken (wie das wohl gemessen wurde?) umrahmen allein im Bundesland Niederösterreich die Gartengrundstücke, eine Strecke, nahezu so lang wie von Wien nach Bagdad. Der Siegeszug der billigen und immergrünen Pflanze, die keineswegs zu den optisch attraktivsten gehört (aber blickdicht ist sie!), hat nicht gerade zur Freude der Vögel stattgefunden, die das Nisten darin verweigern.

Eine Zahl aus dem Buchressort: 400.000 Gartenbücher gehen in Österreich jährlich über den Ladentisch. Kein Wunder, dass bei solch reißendem Absatz immer wieder neue erscheinen, wie die auf dieser Seite vorgestellten.

Und eine letzte Zahl, die auf keinen Fall fehlen darf: In Österreich gibt es 1,2 Millionen Gartenzwerge ...

Positive Wirkung

Nicht nur in Esoterik-Büchern ist es nachzulesen, auch Wissenschaftler betonen, dass Pflanzen dem Menschen gut tun. Nicht umsonst ist Gartentherapie heute gang und gäbe. Die positive Kraft der Natur wissen auch Firmen zu nützen, die die Innenhöfe ihrer Betriebe nach Feng-Shui-Kriterien gestalten und angeblich eklatante Leistungssteigerungen der Mitarbeiter beobachten können.

Für manche scheint dabei Geld keine Rolle zu spielen, was man bei einem Durchgang des 1998 in das ehemalige Börsengebäude an der Wiener Ringstraße eingezogenen Verkaufszentrums für Gartenkultur feststellen kann. Neuester Trend bei der Gartengestaltung: der Gartenteich als Swimmingpool, der auf die Selbstreinigungskraft des Wassers setzt. Wenn's ein bisserl mehr sein darf, kommt auch noch ein Wasserfall dazu. Also ganz wie in echt.

Welch perverse Blüten Gartenmarketing hervortreiben kann, zeigt übrigens das Mietknabensystem von Rainer Schmelz: gestylte, nackte, männliche Körper kann man buchen und als lebende Skulpturen in den eigenen Gartenanlagen aufstellen lassen.

Greisenegger ortet durchaus reliöse Spuren im Gartenkult: "Je rarer Natur wird, desto intensiver wird ihr spirituell nachgespürt". Die Spur der Einflüsse führt daher nicht zufällig oft auch nach Osten, auch nach Japan, wo bekanntlich die Gartengestaltung eine lange Tradition hat und philosophisch- religiöse Bedeutung. Und was Natur scheint, wurde durch Menschenhand geschaffen. Kein Zweig kann wachsen, wie er will.

Kann es sein, dass auch hierzulande Gärten (wieder) spirituelle religiöse Bedeutung erlangt haben oder ist es die reine Lust an der Bewegung im Freien, die in den Garten zieht? Entstehen neue Heilige Haine? Spielt es eine Rolle, dass, so der Sozialforscher Ernst Gehmacher, der Mensch im Garten gottähnlich sein will, weil er über anderes Leben bestimmen kann? Laut Gehmacher wünscht sich der Mensch einerseits in der Wildnis zu sein, andererseits hat er Furcht vor ihr. Den Garten zu bebauen, bedeutet dann der Natur die Gefährlichkeit zu nehmen und sich selbst die Angst.

Über den wahrnehmbaren Trend zu diversen Formen von Naturmystik zitiert Greisenegger den Philosophen Burghart Schmidt: "Wenn der äußere Wohlstand nicht mit einer inneren Zufriedenheit konform geht, will man diese Leere füllen. Die deutsche Kultfernsehserie Der ganz normale Wahnsinn' hat diesen Zustand schon in den Achtzigerjahren mit ihrem Motto: Warum der Einzelne sich nicht wohl fühlt, obwohl es uns allen so gut geht, auf den Punkt gebracht. Manche aus dieser Generation sind Zyniker geworden, andere Gärtner."

Was Andreas Braun, Manager der Swarovski Kristallwelten, zu sagen hat, klingt schon eher beängstigend: "Ratschläge haben eine Wichtigkeit bekommen und eine populärwissenschaftliche Absegnung, die früher alltagskulturelle Binsenweisheit waren, weil man ein Gespür fürs Wohlfühlen und Harmonie hatte. Und weil die Seele und die Götter wieder in Gegenstände hineinwandern wie in Urzeiten, also in den Dingen wohnen, sind die Heilsbotschaften auch käuflich".

Naturmystik treibt ganz sicher die Schriftstellerin Barbara Frischmuth um, deren Garten für sie offensichtlich Leben bedeutet. In ihren Aufzeichnungen aus dem Jahreslauf ihrer Gartenarbeit, garniert mit Fotos aus ihrer wunderschönen Heimat Altaussee, zeigt sich, dass schon etwas dran ist an der Vermutung, Arbeit am Garten sei auch eine Art Arbeit an der Wiederherstellung des verlorenen Paradieses. Kommt doch das Paradies (als Wort) vom Garten her.

Jahrelange Erfahrungen lässt Frischmuth in ihre Texte einfließen, Schwierigkeiten mit dem neu gekauften Mini-Treibhaus ebenso wie mit den lästigen Schnecken. "Gärnter - das muß einmal gesagt werden - sind nicht nur schrullige und einzelgängerische Sonderlinge, die, weil ihnen sonst niemand zuhört, Selbstgespräche führend, alleine vor sich hinwerkeln, Gärtner haben auch ihre auf Begegnung und freundschaftliche Gesten ausgerichteten Züge. Ihre verbindlichste Seite aber ist die Großzügigkeit, die Freude daran, andere an ihrem Glück teilhaben zu lassen, sei es durch sogenannte unschätzbare Ratschläge oder durch Naturalspenden."

Sendungsbewusstsein

Und - was Wunder - auch bei Frischmuth schleichen sich religiöse Aspekte ein: Zum Gärtner gehört Sendungsbewusstsein, so die Autorin, ein Eintreten für bestimmte Pflanzenarten, für deren Verbreitung man kämpft. Frischmuth steht, so kann man lesen, mit ihren Leserinnen in Briefkontakt und erhält von ihnen auch so manchen Pflanzensamen, mit Tixo an das Briefkuvert geklebt. Auch viel Wühlmaus-Post erreicht sie. (Ihr Rezept gegen Wühlmäuse: Dachs und Ringelnattern in den Garten locken!)

Pflanzen wuchern auch in die literarischen Arbeiten, und Früchte dieses Wucherns gibt es in Frischmuths Prosa genug zu entdecken, zwei davon hat sie auch in den Band aufgenommen, "Nördliches Blütenland" und "Lilys Zustandekommen". Ersterer Text ist übrigens inspiriert von dem in der Tradition des Taoismus stehenden Werk "Südliches Blütenland" des Dschuang Dsi. Also wieder ein Hauch fernöstlicher Religiosität.

Wie viel Garten braucht der Mensch?

Von Ingrid Greisenegger

NP Buchverlag, St. Pölten 2003

174 Seiten, geb., e 22,60

Löwenmaul und Irisschwert

Gartengeschichten von Barbara Frischmuth

Mit Fotografien von Herbert Pirker

Aubau-Verlag, Berlin 2003

170 Seiten, geb., e 20,60

Japanische Gärten

Rechter Winkel und natürliche Form

Von Günter Nitschke

Taschen Verlag 2003

239 Seiten, brosch., e 15,40

Frankreichs neue Gärten

Neues Wachstum - alte Wurzeln

Von Louisa Jones. Fotos von Joelle Caroline Mayer & Gilles Le Scanff

Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2003

176 Seiten, geb., e 30,80

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