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Die Kluge und der Mond

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Aug Anlaß des 75. Geburtstages von Carl Orff brachte die Volksoper ein Neueinstudierung seiner beiden Einakter „Der Mond“ und „Die Kluge“. Die Distanz von rund 30 Jahren seit ihrer Uraufführung macht den Blick freier für die bleibenden Werte, aus welchem Grunde wir der „Klugen“ heute den unbedingten Vorzug geben. Sie liegt uns menschlich näher, weil ihre Gestalten mehr Menschen sind als die Figuren im „Mond“. Letzterer ist zwar handfestes Theater: sogar ein kleines Welittheater mit Himmel, Erde und Unterwelt — vier Burschen eines Dorfes, über dem er nicht scheint, stehlen den Mond und hängen ihn daheim an einem Baume auf, nehmen ihn aber bei ihrem Tode, jeder ein Viertel mit in die Unterwelt, wo er, wieder zusammengeleimt, die Toten lebendig macht und in eine tolle Tanzorgie treibt, bis Petrus vom Himmel kommt, selber milttanzt, aber dann in weiser Einsicht wieder die alte Ordnung herstellt. Doch dieses handfeste Theater schießt über sich selbst hinaus und verblufft trotz aller Gekonntheit.

Anders die Geschichte vom König und der klugen Frau, darin die märchenhaften Züge einen menschlichen Sinn erhalten und in die ewigen Werte von Liebe, Güte, Gerechtigkeit und Hilfsbereitschaft münden. Ein Bauer, der gegen die Warnung seiner Tochter einen gefundenen goldenen Mörser dem König bringt, wird eingekerkert, weil er nach Annahme des Königs den Stößel unterschlagen hat. Sein ewiges „Hat? ich doch meiner Tochter gefolgt!“ macht den König neugierig auf das Mädchen. Sie löst seine verkniffenen Rätsel, wird Königin und hilft nun nicht nur ihrem Vater, sondern auch anderen ungerecht Verurteilten. Vom König verstoßen, darf sie nur das Liebste mitnehmen. Sie gibt ihm einen Schlaftrunk und der Erwachende findet sich bei ihr in der armen Hütte.

Die Handlung ist von shakespeari-scher Dichte und Direktheit, mit Rüpeltanz und zarter Lyrik — und immer in Bewegung. Orff musiziert in seiner bekannten Art, immer apart im Klang, mit großer Vorliebe für Ostinati, eindringlich, verständlich und mit überaus komplizierter Einfachheit. Seine Musik trifft, wo sie hinfällt, immer das Richtige, auch das Märchenhafte, ohne große moti-vistische Verarbeitung, ist in jedem Takt interessant. Dennoch ist auch musikalisch die „Kluge“ stärker, dichter als der „Mond“. Die (nur angedeuteten) Bühnenbilder schufen Walter Hoesslin (Mond) und Wolfram Skalicki (Kluge), die richtigen Märchenkostüme ebenfalls Skalicki, (zum „Mond“) Reny Lohner. Die Darsteller: Im „Mond“ konnte sich der Erzähler Rudolf Christ kaum verständlich machen und daran war keineswegs das Orchester chuld; mit einer schwachen Fistelstimme kann man nicht von der mittleren Bühne aus „erzählen“. Der einzige Sänger mit großer Stimme und Gestalter seiner Rolle war Otto Edelmann als Petrus. Das Ensemble der Toten stellt allerdings seinen Mann. In der „Klugen“ war Barry Hanner (als Gast) ein richtig draufgängerischer König mit dämonischen Zügen, während Hanny Steffek in der Titelrolle sehr schön sang, aber darstellerisch blaß blieb. Das Rüpelspiel war auch hier groß in Form, besonders in den Gestalten von Peter Baillie, Murray Dickte, Karl Dönch und Artur Korn. Die Inszenierungen (Otto Fritz und Wolfgang Weber) sind sehr geschickt zwischen Ensembles und Dialog ausgewogen, immer bewegt, ohne toten Punkt. Franz Bauer-Theussl hatte Himmel, Erde, Unterwelt und Orchester sicher in der Hand.

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