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Drei englische Frauenromane

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FELS UND FLEISCH. Von Elizabeth Ann Cooper. Deutsch von Hansjiirgen Wille und Barbara Klau. Verlag J. P. Bachem, Köln. 432 Seiten. Preis 16.80 DM. — EIN ZIMMER IN L-FORM. Von Lynne Reid Banks. Deutsch von Johanna Kerschner. Paul-Zsolnay-Verlag, Hamburg-Wien. 445 Seiten. Preis 120 S. — UNSER ALLER ZUKUNFT. Von Josephine Lawrence. Deutsch von Gertrud Müller. Schweizer Druck- und Verlagshaus, Zürich. 328 Seiten. Preis 13.80 DM.

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FELS UND FLEISCH. Von Elizabeth Ann Cooper. Deutsch von Hansjiirgen Wille und Barbara Klau. Verlag J. P. Bachem, Köln. 432 Seiten. Preis 16.80 DM. — EIN ZIMMER IN L-FORM. Von Lynne Reid Banks. Deutsch von Johanna Kerschner. Paul-Zsolnay-Verlag, Hamburg-Wien. 445 Seiten. Preis 120 S. — UNSER ALLER ZUKUNFT. Von Josephine Lawrence. Deutsch von Gertrud Müller. Schweizer Druck- und Verlagshaus, Zürich. 328 Seiten. Preis 13.80 DM.

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Ob es überhaupt Priester gibt, die jemals dazukommen, Romane zu lesen, ist der Rezensentin unbekannt. Wenn ja, dann ist es denkbar, daß sie eine besondere Abteilung der Hölle für Schriftstellerinnen Vorbehalten wissen möchten, die Priesterromane schreiben. Sind aber die Konflikte und seelischen Qualen, die einen Priester heimsuchen können, von denen eines Laien unbedingt grundverschieden? Und liegt nicht die Kunst des Romanciers darin, daß er, weit über naturalistische Berichterstattung hinaus, Charakterdarstellung jeder Art wagt? „Fels und Fleisch“ ist die Geschichte eines Priesters, der die Seele eines leichten Mädchens zu retten versucht und dabei den eigenen Halt verliert. Er kehrt seinem Priesteramt den Rücken und findet erst nach einigen Jahren der inneren und äußeren Flucht zurück. Auf solche Weise kraß geschildert, muß sich der Leser einen kaum erträglichen Kitsch vorstellen. Dies stimmt aber nicht. Elizabeth Ann Cooper hat sich nichts leichtgemacht: Ihr Priester, aber auch der Leiter einer Künstlerkolonie, sind abgerundete, äußerst komplizierte Figuren, die völlig überzeugend wirken. Weitaus schwächer, nebulöser, ist merkwürdigerweise die Frau, die dem Priester zum Verhängnis wird.

Der unsichtbare Hauptrollenträger ist auch im zweiten Roman ein ungeborenes Kind. „Ein Zimmer in L-Form" — der Roman ist im heurigen Sommer in einer österreichischen Zeitung in Fortsetzungen erschienen — erzählt von einem Mädchen, das aus dem Elternhaus in ein billiges Mietzimmer übersiedelt, nicht so sehr deshalb, weil es sich davor schämt, dem Vater zu gestehen, daß es ein Kind erwartet, sondern um die eigene Fähigkeit, mit diesem schweren Problem fertigzuwerden, unter Beweis zu stellen. Daß es sich in eine solche Wanzenburg einmietet, geschieht nicht aus finanzieller Not, sondern in der Art einer Flucht aus dem eigenen gesellschaftlichen Milieu und aus halbbewußten selbstquälerischen Absichten heraus.

Die Autorin besitzt eine hohe schriftstellerische Begabung. Daß dieses Buch ein Erstlingswerk sein soll, ist fast unglaublich. Die ruhige Präzision, mit der sie die Wohnstätte schildert, und ihre Fähigkeit, Menschen verschiedenster Art glaubwürdig darzustellen, lassen einen Vergleich mit Altmeistern dieses Genres durchaus zu. Das Buch wird in zahlreiche Sprachen übersetzt und in England bereits verfilmt.

Die ganze Wahrheit muß man weiß Gott nicht immer sagen. Über „Unser aller Zukunft“ sei trotzdem berichtet, daß sich die Rezensentin grenzenlos gelangweilt hat, was freilich nicht bedeutet, daß es anderen Lesern ähnlich widerfahren müßte. Wer jemals gesagt hat, „die Gespräche in dieser Familie sollte man einmal auf Tonband aufnehmen“, sollte es ruhig versuchen: Mutter, Kinder, skurrile alte Verwandte — alle ihre Äußerungen sollten festgehalten werden. Und er sollte das Tonband in die Erde versenken, auf daß die kommenden Geschlechter staunen dürfen. Nur darf er nicht glauben, daß er das Rohmaterial zu einem hochwertigen Roman in der Hand hält.

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