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Eine Nonne über den Zölibat

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Es gibt Fragen, die nicht „en bloc“ zu lösen sind. Sie greifen so sehr ins Menschliche ein, sind so tief verknüpft mit den Imponderabilien einer konkreten, menschlichen Existenz wie ihren konkreten Bedürfnissen, daß ein Pauschalurteil — mag es theologisch noch so richtig und spirituell noch so tief sein — gleichwohl nicht befriedigt, obwohl das ganze Problem nicht um einen Zentimeter von der Stelle rückt, sondern nur die Fronten versteift. Zu diesen Fragen scheint mir der priesterliche Zölibat zu gehören.

Daß ich als Klosterfrau etwas dazu sage, wird wahrscheinlich Verwunderung, wenn nicht Ärgernis erregen. „Sind wir schon so weit gekommen!“ werden die einen sagien, während die anderen sich vielleicht auf ein wenig Sensation händereibend freuen. In Wirklichkeit verhält es sich anders. Die Frage des Zölibats ist zugleich die Frage eines möglichen Partners. Auch dieser Partner muß also zu Wort kommen, auch seine Ansprüche müssen angemeldet, auch seine Perspektiven berücksichtigt werden. Es ist also die Frau, für die ich spreche und von deren Seite ich einige Gedanken zu dieser vieldiskutierten Frage äußern möchte. Auch die Klosterfrau ist ja Frau und soll — laut Konzil — mit den Problemen des heutigen Lebens vertraut sein. Also darf sie darüber dann auch etwas sagen — um so mehr, wenn man sich oft gerade an sie mit Fragen wendet.

Welche Partnerin?

Nehmen wir an, es wäre den Priestern freigestellt, zu heiraten oder nicht. Was würden sich dann jene von ihrer künftigen Partnerin erwarten, die heiraten wollen (ich setze voraus: berufene, ideale, begeisterte Priester)? Wahrscheinlich zuerst einmal eine Frau, die häuslich ist, die (mit wenig Geld) ein Heim zu bieten hat, geregelte Mahlzeiten in erholsamer Atmosphäre. Eine Frau, die die Wohnung in Ordnung hält, die Wäsche besorgt — kurz, dem Priester alles abndminit, was das banale menschliche Leben erfordert. Außerdem isoll sie ihm eine stets freundliche, selbstlose Gefährtin sein, die zu ihm aufschaut, der es genügt, ihm zu dienen, ohne an ein Eigensedn zu denken.

Es Ist sehr begreiflich, daß der Wunsch nach einer geordneten Häuslichkeit vorhanden ist, heute mehr denn je. Denn in dem Maße, als der Nachwuchsmangel bei den Klosterfrauen viele Oberinnen zwingt, ihre Schwestern aus prfe- sterlichen Haushalten zurückzuziehen oder sie jenen Priestern, die in ihren Klöstern wohnen, aus Mangel an Kräften nicht jene individuelle Atmosphäre bieten können, die sie brauchten und verdienten — in dem Maß auch, als die braven Hausgehilfinnen, die guten Pfarrer- köchinnen im Aussterben begriffen sind oder Karikaturen Platz machten — in dem Maß ist der Ruf nach der geordneten Häuslichkeit nicht tiberhörbar. Ganz zu schweigen von kränklichen Priestern oder solchen mit irgendwelchen Gebrechen, die, ohne direkt krank zu sein, doch Pflege brauchten.

Dennoch: Ist dieses gewiß legitime Verlangen nach einer geordneten Häuslichkeit ausreichend, um eine Ehe, einen Bund fürs Leben vor

Sott, eine echte Partnerschaft, einzugehen?

Und wo sind die Mädchen, die Frauen, die sich ihr Leben lang damit zufrieden geben, das Dasein einer Ehegattin zu führen, die zum

Teil Hausgehilfin ohne bezahlten Urlaub, ohne geregelte Freizeit ist, zum Teil „Witwe“? Von Ausnahmen abgesehen, dürften sie wahrscheinlich nur in der Reihe jener geistig uninteressierten Frauen zu finden sein, die in ihrem Haushalt aufgehen, ja untergehen —, mit denen man dann aber kaum anderes reden kann als über das Essen, das Wetter und die Preise auf dem Markt. Und dann wird es sein, daß sie ihrem Mann doch nicht genügt — und eben dasselbe wird auch er bemerken. Mit der Zeit wird aus dem Partner eime Last, und auf die vielgepriesene Häuslichkeit würde der Priester dann gerne verzichten.

Außerdem taucht noch ein Problem auf: Die Berufstätigkeit der Frau, sehr oft erzwungen, weil der Verdienst des Mannes zu klein Ist, besonders wenn Kinder kommen. Dann aber schaut der Haushalt anders aus. Dann gibt es mittags aufgewärmtes Essen und abends eine müde, abgehetzte, einsilbige Frau — noch dazu, wenn sie tagsüber auf ihrem Arbeitsplatz (sei er wo immer) als „Frau Kaplan“ oder „Frau Pfarrer", wenig AnMang findet, sondern recht augenscheinlich gemieden wird.

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