6758265-1968_04_15.jpg
Digital In Arbeit

Das geistige „Du“

Werbung
Werbung
Werbung

Es winkte der Frau eines Priesters ein schweres Leben, schwerer als das ihrer' Freundinnen und Bekannten, die auch geheiratet haben.

Doch zugegeben: Diese Sicht des Problems ist mehr oder minder Oberfläche. Sie ritzt die ganze Frage nur an — wenn auch an einer Stelle, wo die unmittelbare Konfrontation mit der praktischen Wirklichkeit stattfindet, die nicht unterschätzt werden darf. Immerhin: Nicht alle Gegner des Zölibats wollen nur die Häuslichkeit der Ehe. Viele suchen eime echte Partnerschaft, ein geistiges „Du“, die Ergänzung. Sie wollen einen Menschen, der sie ihrer Einsamkeit entreißt, sie suchen in der Verlorenheit der heutigen Weltsituation einen Halt — eine Insel, die ihnen di» Welt ersetzt, vor der ihnen manchmal graut, die ihnen hart und ungerecht erscheint Sie wollen den echten Dialog, — uralte Sehnsucht des Menschen und zugleich besonderes Zeichen unserer Zeit!

Verzicht — auch hier!

(Aber wird diese Sehnsucht in der Ehe restlos erfüllt? Gibt es nicht auch da Einsamkeiten, von denen wieder ein zölibatärer Mensch nichts weiß?) Aber wie dem auch sei: Ist jenen, die diese Partnerschaft ersehnen, auch bewußt welch enorme Leistung sie ihnen abverlangt, ein Leben lang? Ist ihnen bewußt, daß sie nicht nur im Nehmen, sondern auch im Geben besteht, in einem blutigen Geben — wenn es sein muß — dn einer stets fort schreitenden Selbstlosigkeit, ja Selbstentäußerung?

Katholische, verantwortungsbewußte Ehemänner, die ein vorbildliches Familienleben führen und ausgezeichnete Frauen haben —

auch sie gestehen ohne weiteres ein, daß es schwer ist eine christliche Ehe zu führen, daß die Anforderungen groß sind, daß der Weg des Verzichtes genau so zu diesem Leben dazugehört wie zu jedem anderen christlichen Leben.

Wie würde sieh doch jener Mensch ganz gewiß täuschen, der da meinte, in der Ehe wäre alles das erlaubt, was sonst nicht erlaubt ist — auch und gerade im Sexuellen; der da meinte, mit einer simplen Triebbefriedigung allein wären alle Lebensfragen gelöst.

Wenn die Ehe heute mehr denn je — und wie sehr ist das zu begrüßen! — auch in ihrer spirituellen

Größe, in ihrer sakramentalen Wirklichkeit und Mächtigkeit gesehen wird, — als der geheimnisvolle Bund zweier Menschen, die gemeinsam, „eins im Fleische“, Gott dienen und zu ihm hinpilgem — dann ist damit auch gesagt, daß sie ein persönliches, ja persönlichstes Engagement einschließt, wie es tiefer und enger nicht vorstellbar ist — im Bereich des Irdischen. Ein Engagement, das die Zeit der ersten Leidenschaft überdauert, das anhält, auch wenn der Ehepartner versagt; ein Engagement, das den ganzen Menschen erfordert.

Das größere Engagement

Die Frau hat ein Recht, dieses Engagement von ihrem Ehepartner zu erwarten. Und sie wird dies auch tun — gerade dann, wenn sie mehr ist als eine „Häuserin“, wenn sie die Ehe als Sakrament „leben“ will.

Aber wird sie nicht spüren — als Frau eines Priesters — daß das Engagement der Ehe nicht das einzige ist, das ihren Partner bis zutiefst ergreift, sondern daß da noch ein anderes „Engagement“ da ist, tiefer als jenes, weil einer anderen Ordnung angehörend und nicht mit dem Tode eines Partners auflösbar, sondern „unauslöschliches Merkmal“ — eben das Priestertum?

Früher oder später wird gerade diie geistig und geistlich hochstehende Frau spüren, daß ihr Partner ihr nicht ganz gehört. Mehr noch: Sie wird spüren, daß sie ihm ein Hindernis ist, das zu sein, was er ist — Priester —, auch wenn er es vielleicht erst später spürt. Sie wird spüren, daß das, was er „ist“, keine Gefährtin braucht; daß er allein dem alleinigen Gott leben muß — wäre es auch unter tausend Schmerzen. Sie wird wissen; ich habe keinen Teil an ihm und ich darf keinen Teil an ihm haben.

Natürlich, die Einwände stehen schon bereit: Da ist einmal die Frau dies vielbeschäftigten Arztes oder Spitzenpolitikers, die ja auch praktisch „Witwe“ ist, in viele Bereiche ihres Mannes keinen Zutritt hat und dennoch eine gute Ehe führen kann. Aber der Arzt kann den „Arzt" daheim ausschalten (wenn er den Ärztedienst einsdhaltet), der Spitzenpolitiker kann sich für gewisse Zeiten verleugnen lassen oder inkognito Urlaub machen — während der Priester immer Priester bleibt und anders Priester ist als der Arzt Arzt und der Politiker Politiker ist.

Die Stellung einer Pastorenfrau bei den Protestanten ist aus vielen Gründen anders.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung