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Etwas in Bewegung bringen

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Der erste März-Freitag ist als Weltgebetstag der Frauen ein Fixtermin der christlichen Ökumene geworden und mobilisiert auch immer mehr Männer.

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Der erste März-Freitag ist als Weltgebetstag der Frauen ein Fixtermin der christlichen Ökumene geworden und mobilisiert auch immer mehr Männer.

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Kurz und bündig. Klar und ohne Umschweife. So auch heuer: Die Erde. Ein Haus für alle Menschen ... Typisch Weltgebetstag. Charakteristisch für Frauen. Das Thema auf den Punkt gebracht. Und ich kann mich nicht entziehen. Alle Jahre wieder stehe ich beim ersten Durchblättern der Unterlagen mit dem gewissen Achselzucken da. Was kann ich tun? Wie entkomme ich der Ohnmacht? Wo ist mein Platz?

Ich erinnere mich der Anfänge. Es war in Weppersdorf, in dieser kleinen mittelburgenländischen Gemeinde, als wir Frauen uns erstmals zu einer Vorbereitungsrunde für den Weltgebetstag trafen. Eine Regeg-nung voller Spannungen und Hemmungen. Nicht gleich wegen der großen weiten Welt. Sondern wegen unserer eigenen kleinen Welt.

Das Beten ist doch eine recht intime Sache. Beziehungsweise das längst gewohnte Einstimmen und Mitreden beim Glaubensbekenntnis und Vaterunser im Gottesdienst. Aber sonst? Dazwischen?

Das Gespräch kam, wenn überhaupt, nur schleppend in Gang, und als es darum ging, die Gebetstexte durchzulesen, konnte schwer verborgen werden, daß so manche - wir saßen im Kreis - vorauszählte: „Wann bin ich an der Beihe? Welche Stelle muß ich ,vortragen'?”

Mit einem Wort. Es war peinlich. Das Lesen. Der Gedanke, „vorne” zu stehen. Das Beten.

Denn Erwachsene sind es gewöhnlich nicht gewohnt, vorne im Altarraum zu stehen. Dort, wohin oft Kinder und Konfirmanden von eben denselben eingeteilt, ja verdonnert werden, um so manchen Gottesdienst „lebendiger” zu gestalten durch modernere Texte und Lieder.

Sicherlich mit unterschiedlichen Akzenten, aber ich meine doch, daß der Weltgebetstag insgesamt einen langen, mühsamen Weg von Hemmschwellen hinter sich hat.

Frauen laden ein. Wie von selbst tauchte die Frage auf (und ist bis heute nicht überwunden): Sind auch Männer erwünscht?

Nun ist ja das „ungenierte Mit-einander-Beten” auch nicht gerade eine Männerdomäne, so wenig oft die Sonntagsgottesdienste „Frauensache” sind, wo unablässig nur „von Brüdern” gehört und gesungen wird. Doch gefühlsmäßige Animosität ist eben keineswegs weiblich definiert. Und Argwohn gut menschlich.

Langsam aber sicher kamen Männer ebenso zu dem Gottesdienst, wie es Frauen lernten, diese Form des Betens nicht mehr als „Auftritte” empfinden. Und das brachte der Gemeinschaft viel. Gerade der Ökumene.

Weit über den Weltgebetstag der Frauen, am ersten Freitag im März, hinaus, geschah Vertrauensbildung und entwickelte sich ein lebendiger Gedankenaustausch „mitten aus dem Leben” heraus. Das ist eine wesentliche Fracht des „informierten Betens”. Daß unter Menschen, die sich trotz Hürden darauf einlassen, etwas in Bewegung gerät.

Afrika, Asien, Lateinamerika. Das alles liegt so weit! Doch unendlich klein und teils bedrückend eng wird die große weite Welt, wenn Strukturen des Elends und der Ungerechtigkeit anschauliche Gestalt annehmen an einfachen Beispielen unserer westlichen Konsumgewohnheiten! Information von Frauen zu Frauen. Aus der Lebenswelt der einen in die Lebens weit der anderen.

Banane. Kaffee, Kakao. Vom Anbau bis zum Preis. Nicht für eine Wirtschaftszeitung verfaßt. Weder intellektuell, noch ideologisch verpackt. Sondern an Lebensvollzügen deutlich gemacht. Da verliert das abstrakte Wort „ungerechte Strukturen” seine Unverbindlichkeit und nimmt Gestalt an im ganz konkreten Menschenschicksal. Das allein macht betroffen. Bringt in Bewegung. Daß sich in der großen weiten Welt nichts anderes abspielt, als wir es aus unserer kleinen „dörflichen Hemmschwellenwelt” auch kennen: Angst voreinander. Das Gesicht nicht verlieren zu wollen. Das Becht zu verteidigen, meine Sache selbst in die Hand zu nehmen. Die Ursehn-sucht im Menschen, angenommen zu werden ...

Der Weg des Weltgebetstages der Frauen ist und bleibt ein einziger Lernprozeß. Eine Selbsterfahrung und ein Zugehen auf „die ganz anderen”. Es ist ein geistlicher Weg, der über ganz und gar weltliches Pflaster führt und so gesehen ein unverzichtbar theologischer Beitrag zur Menschwerdung Gottes ist.

Denn diese Theologie beginnt nicht mit irgendwelchen „aufgesetzten Normen aus dem Jenseits”, sondern beim „Kind Gott”, das in einer selbstgerechten, chaotischen Welt voller Unrecht „gezählt” werden soll. Und es wird auch zählen - als Mensch auf Erden ...

Nur so ganz anders, nach anderen Zahlen, die immer noch zählen. Und die immer noch Menschen in Bewegung bringen, Fesseln sprengen, Strukturen dieser Welt verändern, weil einzelne ganz im Kleinen beginnen, bei sich selbst, und darauf zählen, daß Gott nach wie vor aus unseren vielen Miniatursteinchen sein ganzes Mosaik machen wird ...

Denn das Berge-Versetzen liegt keineswegs an unserem menschlichen Können. Auch das gehört zur wichtigen Einsicht der Weltgebetstagsidee. Doch was sich hier und dort bei Frauen getan hat, die sich auf dieses Wagnis eingelassen haben, läßt sich ähnlich kurz zusammenfassen wie die jährlichen klaren Themen:

Die Sensibilität für die Schwachen in unserer Welt erwacht und wächst zu konkreter Solidarität.

Langfristige Entwicklungshilfe-Projekte werden ins Leben gerufen und begleitet.

Fremdheit und Vorurteile werden abgebaut.

Die Welt wird als eine Welt begriffen. Und das Elend nicht als „vom Himmel gefallen”, sondern als Herausforderung für den Glauben, das Änderbare zu verändern und das Unveränderbare anzunehmen mit der tiefen Bitte an Gott, das eine vom andern recht unterscheiden zu lernen.

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