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Für Machtlose

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Auch heuer werden sich am 4. März wieder Millionen Frauen in Kirchen oder bescheidenen Räumen, in großer Zahl oder in kleinen Gruppen, unter der Sonne Afrikas oder in der Kälte Islands zum gemeinsamen Gebet versammeln. Frauen aller christlicher Konfessionen, verschiedenster Rassen, Stände, Bildungsgrade oder politischen Anschauungen werden an diesem Tag rund um die Erde in einem gemeinsamen Wortgottesdienst miteinander und füreinander beten.

Der Weltgebetstag der Frauen wurde vor fast 100 Jahren von Frauen in Nordamerika ins Leben gerufen. Angesichts der drückenden Folgen des Bürgerkriegs und der sozialen Not unter Millionen von Einwanderern aus Europa und Asien, rief 1887 eine Mutter von sieben Kindern, Angehörige der presbyterianischen Kirche, die Frauen ihres Landes auf, für die Lösung dieser Not zu beten. Sie hatten kein Patentrezept, glaubten aber, daß Menschen durch beständiges Gebet zum Anwalt der Machtlosen werden können. Diese Idee fand schnell Anklang bei Frauen verschiedener Kirchen.

Unabhängig davon erkannten zwei Baptistinnen nach einer Asienreise, daß die Diskriminierung der Frau nur durch Anhe-bung ihrer Bildung gemindert werden könne. Deshalb setzten sie sich für die damals geradezu revolutionäre Gründung von Mädchenschulen und Univera^itätscol-leges für Frauen in China, Japan und Indien ein. Auch sie riefen zu einem Gebetstag für dieses Anliegen auf. 1920 wurden diese beiden Gebetstage vereint und breiteten sich in rascher Folge in den englischsprachigen Ländern aus. Seit 1927 gibt es den Weltgebetstag in der heutigen Form, seit 1975 gibt es ein eigenes österreichisches Nationalkomitee dafür.

Diese älteste und inzwischen auch größte ökumenische Basisbewegung in unserer zerstrittenen und geteilten Welt ist ein Geschenk der Frauen an ihre Kirchen. Von Anfang an von Frauen getragen, wuchs diese Laienbewegung stetig ohne das Korsett kirchlicher Gesetze oder Verordnungen, unbemerkt von der Öffentlichkeit, ja selbst der offiziellen Kirchen.

Den Text für den ökumenischen Gottesdienst schreiben jedes Jahr Frauen eines anderen Landes und Kontinentes. Sie geben damit Einblick in ihre Situation, ihre Nöte und Hoffnungen. Diese Information stellt einen einzigartigen Lernprozeß zu weltweiter Solidarität dar. Er setzt sich fort in der weltweiten Hilfe füreinander.

1981 haben die Indianerfraüen in Nordamerika die Texte des ökumenischen Gottesdienstes geschrieben. Niemand wußte vermutlich bis dahin, welchen Problemen und Diskriminierungen bis heute Indianer in den Reservaten und Slums in den Großstädten ausgesetzt sind. 1982 war der Konflikt zwischen Nord- und Südirland aus der Sicht der betroffenen Frauen der Inhalt des Gebetstextes, und heuer haben die christlichen Frauen in der Karibik mit ihrem Texf die vielfältigen sozialen und politischen Nöte ihrer Heimat in das Bewußtsein von Millionen Menschen gerückt.

„Frauen haben erreicht, worum sich die Kirchen unter der Führung von Männern seit langem mühen: Geschwisterliche Einheit", sagt Anneliese Lissner, die Generalsekretärin der katholischen Frauenverbände Deutschlands, über di^ Weltgebetstag-Bewegung.

Die Autorin ist Vertreterin der Kath. Frauenbewegung Österreichs beim Nationalkomitee des Weltgebetstages.

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