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Fabulieren wird zum Zauberstab

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SALVATORE UND SEIN RUND. Roman. Von Paul Anton Keller. Mit Illustrationen ron Wilfried Zellei-Zellenberg. Verlag Kremayr und Scheriau, Wien Leinen, 294 Seiten. S 68.—. — NUN SCHAU IN DEINEN TAG, Ein Immer neue Spiel in alten Versen. Von Paul Anton Keller. Buchgemeinschaft Heimatland, Krems an der Donau Kartoniert mit Leinenrücken, 87 Seiten. S 25.—. '

Vor 60 Jahren, am 11. Jänner 1907, wurde der steirische Dichter Paul Anton Keller als Sohn eines Schauspielerehepaares in Radkersburg geboren. Seine schöpferische Begabung, die sich früh und rasch entfaltete, befähigte ihn, eine Reihe repräsentativer Werke zu schaffen, die nicht nur zum Unverlierbaren steirischer Dichtung gehören, sondern darüber hinaus im gesamten deutschen Sprachraum die ungebrochene Kraft und Eigenart österreichischer Lyrik und Prosa bezeugen. 1955 wurde Paul Anton Keller mit dem Peter-Roseg-ger-Preis ausgezeichnet, und bald darnach erhielt er den Ehrentitel Professor. Drei Elemente bestimmen im wesentlichen Kellers Schaffen, nämlich die Landschaft sowie Menschengeschicke als Auswirkungen geborener Charaktereigenschaften, und die Möglichkeiten, mit den Verstorbenen Kontakt aufzunehmen. Trotz seines verantwortungsbewußten Bemühens, die Ursachen metaphysischer Phänomene aufzuspüren, verliert sich Keller nicht in düsteren Grübeleien; er erhellt vielmehr die Schattenseiten des irdischen Daseins mit herzerfrischendem Humor.

Das erweist aufs neue der Roman „Salvatore und sein Hund“, eine köstliche Gabe zum Ehrentag des Dichters, die dem großen Kreis seiner Leser viel Freude bringt. Von einer kurzen Zeitungsnotiz ausgehend, hat Keller eine Episode zu einer weitverzweigten Handlung ausgebaut. Die Geschichte läßt die ganze Farbenskala südländischen Temperaments aufleuchten; so werden wir Zeugen turbulenter Auseinandersetzungen in einem italienischen Städtchen, das durch den Hund eines wegen eines geringfügigen Vergehens eingekerkerten Schuhputzers aufgestört wird. Der Hund will unbedingt seinem Herrn in die Zelle folgen, doch wird ihm dies verwehrt. Seine aufsehenerregenden Versuche, dennoch ins Gefangenenhaus einzudringen, veranlassen schließlich den Richter, dem Schuhputzer den Rest der Strafe zu schenken. Bürokratismus und Korruption, Kollaboration und unbewältigte Vergangenheit wirken sich in heftigen Konflikten aus, bis Menschlichkeit und Liebe schließlich doch das Mißtrauen und die Gehässigkeiten der lieben Mitmenschen überwinden. So trägt im Land des heiligen Franziskus der treue Hund des armen Schuhputzers über verhärtete Herzen den Sieg davon.

Nicht nur als Lyriker, Erzähler und Essayist, auch als Dramatiker und Lustspieldichter läßt Paul Anton Keller hinter den bewegten Gestalten einer lebensnahen Handlung Sterne aufleuchten, Gestirne einer höheren Welt, die allein dem irdischen Geschehen einen Sinn zu geben vermag. Dies gilt auch für das Bühnenstück „Nun schau in deinen Tag“, dem der Autor den trefflichen Untertitel „Ein immer neues Spiel in alten Versen“ gegeben hat. Die ebenso zeitnahe wie zeitlose Komödie behandelt die Spannungen, die aus dem Gegensatz zwischen „hoher Minne“ und „niederer Minne“ entstehen. Heiterkeit und Schwermut reichen einander die Hände. Und auch hier gelingt Keller das, was wirklich nur ein Dichter kann. Sein Fabulieren wird zu einem Zauberstab, zu einer Wünschelrute, die den Suchenden den Weg zu Überirdischem weist.

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