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Finsternis über Ungarn

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Finsternis ist über Ungarn. Es gibt kein Recht mehr, keine Sicherheit, keine Freiheit, alles verschlingt eine schreckliche, vor nichts zurückschreckende Tyrannei. Wenn dieses christliche Volk Ungarns nicht einen starken Gottesglauben hätte — alles ginge unter in Taten der Verzweiflung.

Der neue große Schauprozeß ist im Gange, der, wiederum gegen Häupter der„ katholischen Kirche gerichtet, es versuchen soll, die große Unbesiegbare doch zu Boden zu bringen.

Alles haben 6ie schon gestanden, die Angeklagten. Das mörderische Theater, das am 22. Juni begonnen, wird bald zu Ende sein. Die neun auf der Anklagebank sind alle glänzend präpariert. Voran der Erzbischof von Kalocsa, Jozsef G r 6 s z, der Erzabt des Zisterzienserordens in Ungarn, Vendel Endred y, der Provinzial Istvan C s e 1 e und der Prior Ferenc B e z e c des Paulinerordens und die fünf, dem Laienstande angehörigen Mitangeklagten. Sie haben also gestanden, genau wie es die Anklageschrift haben will und aufzählte: der würdige Herr Erzbischof, daß er mit seinen Komplicen eine Verschwörung organisiert und geleitet habe, deren Ziel der Sturz der demokratischen Staatsordnung und selbstverständlich die Wiedererrichtung des Königreiches durch die Restauration von Habsburg war, daß er ferner am 5. Juli 1950 durch Mittelsmänner folgende schriftliche Erklärung an die Budapester Gesandtschaft „eines imperialistischen Staates“ übersandt: „Nach uralten ungarischen Gesetzen erkläre ich mich bereit, in Abwesenheit des Königs und wegeij Verhinderung des Fürstprimas das Amt des Staatsoberhauptes zu übernehmen und eine provisorische Regierung zu ernennen“, für die er bereits die Mitgliederliste fertiggestellt hätte. Sein Hauptziel sei jedoch gewesen die „W iedererrichtung des Großgrundbesitzes und die Rückgabe der Industrien an die Großkapitalisten“. Aber nicht genug, für die Durchsetzung seiner Pläne sei er an die Bildung bewaffneter Banden geschritten, auch habe er nicht versäumt — wie hätte er denn auch das versäumen könnenl —, an den Vatikan „geheimes Spionagematerial wirtschaftlicher und politischer Natur zu vermitteln“, habe steckbrieflich verfolgte Verbrecher und Mörder der Gerechtigkeit entzogen und derlei Elemente „unter seiner unmittelbaren Führung gehalten“. Es gesteht in dem Prozeß auch sein Komplice, der Paulinerprior, „Terrorbanden von Kulaken“ vereidigt, bewaffnet und auf die „Russenjagd“ ausgeschickt und persönlich einen Sowjetsoldaten meuchlings ermordet zu haben. Es gesteht auch der Zisterzienserabt, Unterführer in der Verschwörung gewesen zu sein, und so gestehen prompt alle nach der Reihe, was man nur will, im Bunde mit den Ordensleuten unter dem Befehl des Erzbischofs Attentate gegen die Staatsführer, Plünderung von Waffenmagazinen, Sabotageakte. Allerdings hat niemand bisher von diesen Attentaten usw. etwas gesehen, denn sie sind alle — wie die Anklage wissen läßt — schon im Keime erstickt worden, sie waren „geplant“.

Ein teuflisches Gespinst ist den Angeklagten über den Kopf geworfen; der Gerichtspräsident Vilmos Olti und der öffentliche Ankläger Gyula Alapy, bewährte Fachleute in der Unrechtserfindung, haben daran gewirkt. Aber es war doch ein dummer Teufel, der sie dabei gelenkt hat, denn sie haben so dick aufgetragen, daß jeder einigermaßen vernünftige Mensch das Machwerk sofort erkennt. Für ihr Lügengewebe hätten sie sich keinen Ungeeigneteren als Erzbischof G r 6 s z aussuchen können.

Die Prozeßführung ist in einer infernalischen Weise darauf angelegt, noch mehr als der Mindszenty-Prozeß die Schneide der Anklage gegen den gesamten Episkopat und selbst gegen den Papst zu richten. So ist zum Beispiel die ungeheuerliche Mordbeschuldigung gegen den Paulinerprior noch verknüpft mit einer Beschuldigung des Erzbischofs, der dem angeblichen Mörder für seine Tat den Segen gegeben. Dazu fragt das kommunistische Hauptorgan „Szabad Nep“: „Wer ist der größere Schuldige? Der Mörder, der Erzbischof oder Pius XII.?“ So schamlos durch seine unverhüllte Tendenz, so offenkundig aus verleumderischen Erfindungen konstruiert, so infam das Gerichtswesen ' des Landes erniedrigend ist noch keiner der Justizmordprozesse des jetzigen Ungarns geführt worden.

Das Urteil wird noch vor Ende dieser Woche erfolgen.

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