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Fremde und Heimat

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WANDLUNG IN POLEN. Wie ich meine alte Heimat wiedersah. Von Christine Hot'chkiss. Schweizer Druck- und Verlagshaus AG., Zürich. 311 Seiten.

Auf die ersten Nachrichten vom polnischen „Oktoberfrühling“ 1956 beschließt Christine Hotchkiss (eine geborene Krystina Oppeln-Bromkowska), ihre polnische Heimat, die sie 1939 als junges Mädchen verlassen hat, als Korrespondentin für „Reader’s Digest" zu besuchen. Im Jänner 1957 startet sie, begleitet von den besten Wünschen ihres amerikanischen Gatten, der sie vergeblich mit der Vorstellung „langer, trostloser Jahre in Sibirien“ von ihren Reiseplänen abzuhalten versucht hatte.

Nun, Mister Hotchkiss hat ein halbes Jahr später seine Gattin in New York glücklich wieder begrüßen können; Christine Hotchkiss aber hat sich hingesetzt und ihre Eindrücke' von dem; Wiedersehen mit der alten Heimat zu dem vorliegenden Bericht verarbeitet.

Obwohl nun schon wieder zwei Jahre zwischen ihrem Besuch in Polen vergangen sind, in denen der Enthusiasmus der Oktobertage 1956 und der diesen folgenden Wochen und Monate einem nüchternen Alltag Platz gemacht hat — dafür konnte die wirtschaftliche Entwicklung ohne Zweifel gewisse Fortschritte machen —, stimmen die nüchternen Beobachtungen und klugen Kommentare von Christine Hotchkiss nach wie vor in ihren Grundtendenzen. Christine Hotchkiss’ Bemühungen gehen darauf hinaus, vor allen Dingen einem angelsächsischen Publikum (das Buch ist ursprünglich unter dem Titel „Home to Poland" erschienen) die Vorgänge in Polen, die zu einer relativen Freiheit seiner Bewohner führten, zu deuten. Liebe zur Heimat und Verständnis für deren Menschen verschließen ihr aber anderseits nicht den Blick für die Grenzen des „polnischen Weges“ sowie für so viele Schattenseiten, die mit dem doktrinären Wirtschaftssystem verbunden sind. Ein schönes, menschliches Zeugnis: vor dem Landgut, auf dem sie als Tochter des Vorsitzenden des Verbandes polnischer Großgrundbesitzer eine sorglose Jugend verbrachte, beklagt sie nicht den Verlust des reichen Erbes, sondern nur den Verfall durch eine verständnislose Wirtschaftspolitik.

LATERNA MAGICA. Gesammelte Erzählungen. Von Felix Braun. Amandus - Verlag, Wien. 423 Seiten. Preis 85 S.

Eine der wesentlichen Eigentümlichkeiten des dichterischen Schaffens, wie sie hervorragend in der Prosa Form und Gestalt ‘gewinnen, ist die noch aus

Urgründen echten Kindseins herübergeholte Kraft von Felix Braun, von einer Bewußtseinssphäre unmerklich in eine andere hinüberzuwechseln in dem Bestreben, weiter oben oder in unauslotbaren Tiefen eine angeschlagene Melodie weiterzuspinnen. Der Dichter hat in seinem Essay über Grillparzer die Möglichkeit der Poesie nicht zwischen Idealismus und Realismus, sondern zwischen diesem und der Romantik erschaut, Das kommt in dem vorliegenden Bande, dessen erste Fassung vom Jahre 1932 erweitert und überarbeitet wurde, allerorten zum herzbewegenden Ausdruck, obschon der Dichter sich scheut, Gefühle preiszugeben, sparsam mit Worten bleibt und gewissermaßen dem gleichgestimmten Gemüt es überläßt, weiterzudichten. Die Strenge der Form, gleichermaßen aus der romanischen Welt und der klaren Atmosphäre der Anglikaner kommend, der Wille, zu glätten und zu runden, vollbrachte Werke der Erzählung, die turmhoch über der Tagesproduktion unserer geschäftigen Schreiber stehen. Wir begegnen dem Zauber der heimischen Landschaft (Salzburg, Tirol, Wienerwald), wir erleben Geschichtsahnung und Deutung aus fernster Vorzeit („Attila“ — dieser Stoff beschäftigte den Dichter auch dramatisch 1920) und schmerzlich empfundener jüngerer Ver- g?l geol fit!jt,0 li ojflOische Prinz" - bezeichnenderweise 1938 entstanden). Der Leser muß um diese „magische Laterne“ herumgehen: sie wird immer neue Strahlen aussenden, das einfache Licht brechen und zerlegen und zuletzt sammeln in den Farben des Regenbogens, der vor dem abziehenden Gewitter das Riesentor malt, dessen Zentrum der Gegenpunkt der Sonne ist.

SPITAL AM PYHRN IN OBERÖSTERREICH.

Hospital und Kollegiätstift; dessen innere Verfassung und dessen juridische Beziehungen zum Hochstift Bamberg. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung. Auctore Petro Gradauer. Dissertatio ad Lauream in Facultate Iuris Canonici Pontificiae Uni- versitatis Gregorianae. Linz. XVI und 199 Seiten.

Auf Grlind eines weithin verstreuten Archivalienbestandes und einer zahlreichen einschlägigen Literatur ist hier zum erstenmal der Versuch unternommen worden, die innere Struktur des 1190 auf Bamberger Boden gegründeten und einst bedeutenden Kollegiatstiftes Spital am Pyhrn, das neben dem kurzlebigen Mattighofen im wesentlichen auch das einzige im Gebiet des heutigen Bistums Linz blieb, aufzuzeigen. Ursprünglich als Pilgerhospiz während des dritten Kreuzzuges entstanden und als solches bis 1418 bestanden, wurde es sodann in ein Kolle- giatstift weltlicher Chorherren unter einem Dechanten umgewandelt, das von 1605 bis zur Aufhebung 1807 einem Propste Vorstand. Nach der Aufhebung am 11. August 1807 diente Spital am Pyhrn vorübergehend den Benediktinern von St. Blasien im Schwarzwald als Zufluchtsstätte, welche sie am 1. Mai 1809 mit St. Paul im Lavanttal vertauschten. Diese saubere Arbeit erbringt nicht nur einen befriedigenden Nachweis für die Stärke und Ausdauer des Einflusses der Regel Chrodegangs und der Aachener Regel auf die Statuten der Kollegiatkapitel späterer Jahrhunderte, insbesondere ist sie eine notwendige Ergänzung der an der gleichen Fakultät und Universität vor vier Jahren erschienenen und veröffentlichten Dissertation von Franz Z-a k : „Dignitäten und Kapitel in den ehemaligen Kollegiatstiften der Diözese St. Pölten" (vgl. die Besprechung in der „Furche“ vom 19 November 1955). Weit über den Rahmen einer Heimatkunde und Kirchengeschichte des Landes Oberösterreich ist diese erfreuliche Untersuchung vor allem durch die Veröffentlichung bisher unbekannter und nicht beachteter Urkunden neben der obgenannten Arbeit ein weiterer, wertvoller Baustein der von Univ.-Prof. Dr Leo Santifaller begründeten „Austria Sacra“.

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