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Hofpfarrer und Poet dazu

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Dem etoen neu aufgelegten Stadtführer von Hofrat Dr. Walter Semetkows'.i zufolge besitzt die Landesbibliothek des „Joanneum“ zu Graz rund 140.000 Druckwerke mit 300.000 Bänden, darunter zahlreiche Wiegendrucke. Eine6 ihrer kostbarsten Stücke ist die „Gesang Postill*, die in zwei Teilen 1569 und 1574 in Druck gegeben wurde „durch Andream Gigle-rum, Styrum, Pfarherr zu Grätz.“ Er leitete von 1557 bi6 1571 die uralte, damals einzige Pfarre der Murstadt ihres linken Ufers, St. Ägydius, aber auch die 1479 einverleibte Pfarre St. Andrä, die einzige Parochie am rechten Ufer, ein Seelsorgegebiet, das heute beinahe in 30 Pfarren unterteilt ist. Der würdige Herr hatte also pfarrämtlich reichlich zu tun; obendrein von schweren Pfründen-und Steuersorgen bedrückt, hatte er somit nicht Muße, ein literarisches Steckenpferd zu treiben, nicht hochgemute Stimmung, auf Dichterlorbeer erpicht zu 6«in. Aus pastoralen Gründen aber griff er zur poetischen Kielfeder. Er wußte, „das der gmein mann vnd die junge leut von natur gern singen“, er sah, daß Mangel an Gebetbüchern herrsche, er hatte die Erfahrung gemacht, daß die Predigten, vom Volksgesang unterstützt, „klerlicher“ und „weitclufftiger“ ausfallen, darum setzte er sich entschlossen an den Schreibstuhl und verfaßte gereimte Evangelientexte für alle Sonn-und Festtage des Jahres. „In Österreichischer vnd Steyerisoher Teutscher Sprach.“

Zum Wortlaut die Weisel Gigler nahm „zehen alte vormals bekandt* Melodeyen* und setzte sie „zu end dess Büchleins*. Dana erfand «r zehn neue Weisen „oder Tenor' —-auf daß man nach „Gelegenheit dess frölichen oder tpawrigen Texts“ auch eine fröhlichere oder wehmütigere Weise nehmen und singen mag. Den cantus firmus ließ er sodann für Dislcent, Alt, Tenor und Baß vierstimmig setzen durch einen „Wolgelerten vnd Kunstreichen Musicurn“, den Organisten des Hofes und der Hofkirche, Herrn Johann de Cleve, damals die musikalische und toneetzerisehe Leuchte von Graz.

Da« Werk, 690 Seiten stark, mit zahlreichen treuherzigen Kupferstichen geziert, ist die einsöge drucktechnische Erinnerung an den nachweisbar zweiten steiri6chen Buchdrucker Andreas Franck, aber auch nur in einem einzigen Exemplar erhalten. Es befand sich bis 1930 in der Fürstlich Stolberg-Wernigerode-schen Bibliothek, bis 1938 in der Preußischen Staatsbibliothek und ist seither eine Ziaelie der Steiermärkieohen Landesbibüothdc. Bis 195X) lag es wohlverwahrt im Tresor der Bücherei, Interessenten konnten nur m eine orginaltreue Photokopie des anst»lteeigen#n Laboratoriums Einblick nehmen. Jetzt aäwr steht es jedem Geschieht«- und Kulturfreorad zeichen- und formgetreu zur Verfügung. Unter tatkräftiger Förderung der Landesregierung, aumal des kunstsinnigen Landesrates Dr. Iiiig, gab nun der feinsinnige Direktor der Bibliothek, Hofrat Dr. Julius Franz Schütz, der das steirische Schrifttum mit eigenen Gedichten, Novellen und Dramen wertvoll bereichert hat, die Po6tille im Faksimiledruck, erstellt durch die Akademische Drude- und Verlagsanstalt, heraus Welch bedeutsamer Dienst dadurch der steirischen Kulturpflege wie der gesamtdeutschen Kunstforschung geleistet wurde, erhellt aus den Feststellungen der Einleitung: Die Gesangpostille i6t das „früheste gedruckte Zeugnis des katholischen wie des evangelischen Kirchengesanges in der Steiermark“ wie überhaupt „das älteste gedruckte musikalische Dokument der Steiermark und der älteste steirische Notendruck“.

Hofpfarrer Andreas Gigler hat sich als „Mann im Zwielicht“ in seiner Lebensführung manche Freiheiten seiner weltanschaulich wirren Zeit zunutze gemacht, seine Amtsfunk-tion blieb bewußt katholisch, die Liedertexte atmen „altgläubigen“ Geist. Als Probe seiner anheimelnden Sprache diene ein Aushub aus den Texten des Festes St. Michael: O Gott der du zu vnserm nute Die Engel hast erschaffen: Ja HErr tu vnserm tro6t vnd schütz Wann wir rhuwen vnd schlaffen: So bhuet vns durch sy tag vnd nacht Vnd bstell durch sy die ewig wacht Auiff Erden wie im Himmel.

Faust und der Teufel. Von Albeit D a u r. Eine Darstellung nach Goethes dichterischem Wort. Heidelberg 1950. Carl-Winter-Universitätsverlag. 500 Seiten.

Das Neue und Eigenartige dieses Buches liegt in seinem methodischen Ansatz. Es will reine Interpretation des Goethesctien „Faust“ vom Wort her sein. Das heißt, einzige Erkenntnisquelle des Werkes ist das in der Diduung selbst enthaltene Wort. Es verschmäht, Kommentar sowie geistesgeschichtliche Deutung zu sein. Das Werk gliedert sidi hauptsächlich in zwei Teile, in einen Hauptteil, der Szene für Szene dem Gang dei Dichtung folgt, und in einen polemischen Teil, der sich mit den Meinungen der Kommentatoren auseinandersetzt Dem Rezensenten scheint dieser zweite Teil fast widitiger als der Hauptteil zu sein, und dies um so mehr, als es nicht sehr einleuchten will, daß es nötig ist, Goethes Faust noch einmal in Prosa nachzuerzählen. Allerdings muß dem Verfasser zugute gehalten werden, daß er sich dieser selbst gestellten Aufgabe mit Takt und Geschmack entledigt. Eine Besonderheit von Daurs Buch ist die Betonung von Goethes Verskunst, der er mit viel Liebe bis in die feinsten Schattierungen des Klanges folgt. Er scheint zu den wirklich wenigen Autoren zu gehören, die sich Verse immer vorsprechen und nicht nur lesen. Das ergibt manche treffliche Bemerkung über die Klangmöglichkeiten des Faustverses, die für Schauspieler und Rezitatoren sehr beherzigenswert sind. So nähert sich der Verfasser vom Standpunkt der „poesie pure“ Goethes Werk, ein Versuch, der sich bei einem solchen Rang der dichterischen Gestaltung immer lohnt Drum ist das Buch für die in erster Linie geschrieben, die in einer Dichtung die belle passion sehen. Der nach Klärung weltanschaulicher Fragen — und dies gerade im Gebiet der schönen Künste —Verlangende findet zwar einen großen Leitgedanken durch den Verfasser betont, der aber von dem artistischen Anliegen stark überwuchert wird. Es ist dies der Gedanke, daß der Mensch, gerade wie er dem Teufel ausgeliefert scheint, dennoch und eben gerade deshalb seinen Weg zu Gott findet. Ein mit viel Liebe geschriebenes Buch, das man in der gewaltigen Reihe der Faustbücher nicht missen möchte. Dr. Robert M ü h 1 h e r

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