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JANKO VON MUSULIN / EIN ÖSTERREICHER IM „BIENENKORB“

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Mit Wirkung vom 1. Jänner 1963 hat Dr. Gottfried Berman-Fischer seinen langjährigen Mitarbeiter, den Leiter des historisch-kulturpolitischen Referats, Janko Freiherrn von Musulin, zum Geschäftsführer des S.-Fischer-Verlages bestellt.

Als diese Nachricht durch die Weltpresse ging, horchten einige Öslerreicher auf. Der S.-Fischer-Verlag, mit der Fischer-Bücherei und dem Gottfried-Bermann-Fischer-Verlag, ist ein Unternehmen von Weltrang. Gegründet wurde er durch S. Fischer, der von Wien auszog und in Berlin den Verlag eröffnete, der neben einer Elite deutscher Autoren sich früh und erfolgreich der Österreicher annahm. Der Fischer-Verlag wurde der Verlag Hugo von Hofmannsthals und Schnitzlers und hat nach Werfel, Zweig, Altenberg in der Gegenwart auch eine Reihe jüngerer Schriftsteller aus dem österreichischen Raum herausgebracht: Ilse Aichinger, Paul Celan, Klaus Demus und andere.

Der Leitung dieses Unternehmens kommt also eine beachtliche kulturpolitische und metapolitische Bedeutung zu: große Verlage und ihre Bücher können vielleicht nicht Weltkriege und Bürgerkriege verhindern, wohl aber vermögen sie beide vorzubereiten. Angesehene Verlage, die erlesene Bücher und Publikationen in Millionenauflagt herausbringen, können Freiheitsräume mitschaffen: innere Räume, in denen humane Bildung, Kultur, Geistigkeit wachsen können.

Aufrichtige Österreicher begrüßen in diesem Sinn die Berufung Janko von Musulins auf einen so wichtigen Kommandeurposten an der Front des Menschen.

„Ich entstamme einer alten Soldatenfamilie, die von der Grenze herkommt.“ Mit diesem Satz beginnt der Vater Jankos, der Freiherr Dr. Alexander Musulin von Gomirje, seinen Erlebnisbericht in dem Buche „Das Haus am Ballhausplatz — Erinnerungen eines österreichisch-ungarischen Diplomaten “ (München 1924). Grenzer, Kroaten im alten Österreich. Der Freihen von Musulin schildert da vor allem seine Tätigkeit am Ballhausplatz in den entscheidenden Jahren vor unc um den ersten Weltkrieg.

Janko von Musulin, Jahrgang 1916, hat als Publizist sowohl in seinen eigenen Büchern (wir nennen hier nur „Degen und Waage — Schicksal und Gesetz europäischer Politik“) als in den vielen Aufsätzen und Studien, die er in Österreich und Deutschland veröffentlichte, von seiner Familie und seinem Vater her wohl dies in besonderem Maße geerbt: den Sinn, ritterlich zu kämpfen. Nicht mit Bombe und Panzer, sondern mit dem Degen. Frei und freimütig, scharf anvisierend, mit einem reichen, wohlgewählten Wortschatz; nie vernebelnd, den Gegner „ansprechend“, gleichzeitig umsichtig Rücksicht nehmend, mit einer eigenen Ironie, auf Stärken des Gegners und Schwächen der eigenen Freunde zielend. Musulin ist dergestalt zu einem der profiliertesten politischen Publizisten im Raum deutscher Sprache geworden. Seine außenpolitischen Rundblicke in der „Neuen Rundschau“, der altangesehenen Zeitschrift des Fischer-Verlages, haben, von ihm begründet und fünf Jahre lang durchgehalten, sich als politische Essays einen Sonderrang erworben.

Neben der Freude ist auch einem geziemenden Schmerz Ausdruck zu geben. Es gelang in Österreich nicht, dem hochbegabten Mann, der nach dem Ende des zweiten Weltkrieges als ein Überlebender des österreichischen Widerstandes in Salzburg und Tumersbach am Zeller

See wohnhaft wurde, einen passenden Raum zu schaffen. Dies, obwohl Musulin sich auch hier als PHpJizist früh einen angesehenen Namen geschaffen hatte. Unter seinem Schriftstellernamen Heinrich Maria Wassen (nach dem väterlichen Gut in Wassen bei St. Pölten) gehörte er früh zu den geschätztesten Mitarbeitern unserer „Furche“. An seine Aufsatzreihe über den deutschen Widerstand („Hier Staufenberg — hier Remeri“) erinnern sich unsere langjährigen Leser vielleicht heute noch ...

I« den fünfziger Jahren sah es zeitweilig so aus, als ob die Volkspartei ihn als Abgeordneten für den Nationalrat gewinnen wollte. Es ist nichts daraus geworden. Andere Leute waren besser im Apparat „verankert“. Heute kann man sagen: Tu felix Austria, du hast dich wieder einmal glücklich eines Österreichers entledigt...

Musulin ist Österreicher geblieben. Wir sind der festen Zuversicht, daß er im Hause „Bienenkorb“ in der Zeil in Frankfurt am Main dem alten Europa und der neuen Welt, deren Umrisse am Horizont langsam heraufsteigen, ebenso redlich dienen wird, wie sein Vater dem alten Österreich gedient hat, am Ballhausplatz. In diesem Sinne wünschen wir ihm alle guten Kräfte für die Arbeit, für die Zukunft.

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