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KEIN HOF WIE JEDER ANDERE

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Zu seinem soeben im Herold-Verlag, Wien-München, erschienenen Buch „Petrus, der ewige Papst“ schreibt der Autor im Vorwort: „Der Verfasser fühlt sich verpflichtet, einige Erklärungen über die Entstehung des vorliegenden kleinen Buches dem Leser zu geben. Auf gewachsen innerhalb einer streng katholischen Familie, lebte der Verfasser durch ein seltsames Geschick gleichzeitig in einer teils glaubenslosen, teils antikatholischen Welt. In der späten Mittelschulzeit, auf der Hochschule und in den folgenden Jahren kam es zwischen dem Verfasser und dieser Umwelt immer wieder zu Gesprächen über die Religion und die Kirche. Es waren Gespräche mit fanatischen Nationalsozialisten, gläubigen Protestanten, humanistisch gebildeten Liberalen, glaubenslosen Juden, atheistisch gesinnten Marxisten und Kommunisten, mit Affekten beladenen Katholiken. Bei fast allen diesen zahllosen Gesprächen kam immer wieder die Rede auf das Papsttum, vor allem auf die Fehler der Päpste, auf ihre Sünden und ihre Vergehen. Die Quintessenz aller dieser Gespräche findet der Leser in dem vorliegenden Buch. Obwohl das Buch in Form eines Monologes gehalten ist, ist hoffentlich der Dialog deutlich herauszuhören.“

Carissirni —

wer die Geschichte der Päpste überblickt, wird manchmal den Eindruck haben, daß sie nicht nur die rechtmäßigen •Nachfolger des heiligen Petrus sind, sondern auch die geheimen Nachfolger der römischen Imperatoren und Cäsaren. Und wer einmal den Vatikan besuchte, in Rom war, ein Papsthochamt oder eine päpstliche Audienz erleben konnte, der wird sich vielleicht im stillen und ganz flüchtig gefragt haben, ob er nicht nur am Hofe des Nachfolgers des heiligen Petrus, sondern auch am Hofe eines Nachfolgers der Kaiser von Byzanz weilte. Denn wer diesen Prunk sieht, diese prachtvollen Uniformen, 'diese herrlichen Tatare, diese blitzenden Ordenssteme, diese glänzenden Waffen, wer diese Prälaten, Geheimkämmerer, Bischöfe, Kardinale, Offiziere und Diplomaten sieht, die den Papst umgeben, wofbed sie sich minuziös nach einem Zeremoniell bewegen, das bereits eine eigene Wissenschaft darzustellen scheint, der kann nur allzu leicht auf solche Gedanken kommen. Verstärkt kann sein Eindruck noch werden, wenn er vdelileicht das Blatt des Vatikans liest, den „Osservatore Romano“, und hier Sätze wahrnimmt, die zweifellos einem Panegyrikus reinsten byzantinischen Stiles gleichen. Was hat dies alles mit dem heiligen Petrus zu tun, mit diesem bescheidenen Fischer aus dem Heiligen Dand, der unberührt von der Pracht der römischen Imperatoren durch das Rom seiner Zeit wandelte, um schließlich in einem Armengrab seine letzte Ruhe zu finden?

Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Sie zu stellen, braucht uns nicht zu verwirren oder zu beschämen. Alber diese Frage zu stellen ist anderseits nur zu sehr begreiflich. Mancher wird sie damit beantworten, indem er darauf hinwedist, daß der Sitz des Papstes eben im Uaufe der Zeit ein großer Hof wurde und nach dem Verschwinden der Höfe von Berlin, Petersburg, Paris und Wien der letzte große Hof des europäischen Festlandes ist. Und er wird sagen, daß alles, was für die Höfe von Wien, Petersburg, Berlin und Paris rechtens gewesen war, doch für den päpstlichen Hof nicht falsch sein könne. Mancher wird auch darauf hinweisen, daß der englische Hof bis heute seine prächtigen Uniformen besitzt, seine Garden, seine Höflinge und niemand daran Anstoß nimmt, Großbritannien sogar als das klassische Dand der Demokratie .gilt. Und was für ein demokratisches Dand gelte, könne wiederum doch für den Sitz des Papstes nicht ganz falsch sein. Ein anderer wieder wird sagen, daß der päpstliche Hof, wenn er seine Bedeutung der Welf klar machen wolle, alle diese Dinge nicht entbehren könne. Ein dritter wiederum wird sich beruhigen mit dem Gedanken, daß die Kirche sich auch im Äußeren nur langsam wandelt und deshalb einige Zeit benötigen wird, um all diesen byzantinischen Zauber abzuschaffen. Er wird sich dabei erinnern, daß vor 50 Jahren auch noch in den Republiken bunte Uniformen an der Tagesordnung waren, daß bis heute auch die bescheidensten Staaten eines Zeremoniells nicht entbehren können und daß die blitzenden Ordenssteme alle Regime der Welt überdauern.

Alle diese Argumentationen haben ihre Berechtigung, aber wir glauben doch, daß sie an der eigentlichen Beantwortung unserer Frage Vorbeigehen. Betrachten wir deshalb die Dinge einmal von einer anderen Seite. So oft werfen wir den Päpsten die Pracht ihres Hofes vor, dieses Zeremoniell, diese byzantinische Sprache. Wer aber, Geliebteste, ist von uns noch nie der Versuchung der Eitelkeit unterlegen. Wieviele von uns wären doch glücklich, wenn sie auch einmal solche prächtige Uniformen tragen könnten, wie wir sie am päpstlichen Hof sehen. Wie viele wären überaus glücklich, mit einem Orden geziert zu sein und würden die seltsamsten Anstrengungen machen, um einen solchen zu erlangen. Wie viele von uns legen doch Wert auf eine peinliche Einhaltung eines Zeremoniells im bezug auf ihre Person. Geliebteste, machen wir doch nicht den Päpsten den Vorwurf über diesen Ausbau eines byzantinischen Hofes. Denn im Grund genommen waren es wir, die diesen Hof entstehen ließen und bauen halfen und war es unsere Sucht nach Eitelkeit, die die Päpste gezwungen hat, sich mit einem derartigen Prunk zu umgeben. Wir haben sie verführt zu glauben, daß man sich mit diesem Glanz umgeben muß, um von der Welt emstgenommen zu werden. Nehmen wir doch selbst nur jemanden ernst, der mit einem entsprechenden Glanz durch diese Welt geht. Dieser Prunk des päpstlichen Hofes ist doch nichts als ein Denkmal aller unserer Eitelkeiten. Der Eitelkeiten von uns Christen schlechthin.

Kam nicht ein Dächeln auf unsere Lippen, als wir immer wieder die Forderungen hörten, die Päpste mögen die Tiara ablegen oder auf die Palmwedel verzichten, die bei den Prozessionen lange Zeit neben ihnen getragen wurden? Mußten wir nicht lächeln, als wir die Forderung hörten, die Kardinale, die Bischöfe, die Prälaten sollten ihre Schleppen verkürzen oder ganz abschneiden, mußten wir nicht lächeln, als wir die Forderung hörten, daß auf alle so komplizierten Titel, die in der Kirche üblich sind, verzichtet werden soll? Merkwürdig ist, daß von diesen Eiferern immer nur von der Kirche solche Reformen verlangt werden, daß dagegen nie gefordert wird, die Richter und Rektoren mögen ihre Prachtraben ablegen und die Magnifizenzen und Spektabilitäten mögen auf ihre Titel verzichten, und die Ordensjäger möchten ihre Jagd einstellen. Ein einfaches und äußerliches Ablegen des Prunkes macht die Menschen noch zu keinen Heiligen, ebensowenig wie Vernachlässigung der Hygiene schon Aszese bedeutet. Solange das Ablegen des Prunkes und der Prachtenffaltung nicht zusammengeht mit einem Demütigwerden von Menschen, ist der Verzicht auf diese Formen eigentlich wertlos. Ein Pius X. war unter allem Prunk ein Heiliger. • • u ..

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