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Lisieux, Assisi und die weite Welt

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Aus der reichen Regenbogenskala der diesmal gezeigten religiösen Filme der Weltproduktion lassen sich, obwohl keiner der Filme so ganz tiberzeugend das Ueberformat der oben genannten „großen Vier“ vergangener Jahre erreichen konnte, zwei erfreuliche Tendenzen ablesen: einmal die viel größere Geschmeidigkeit der Stile, die vom aktionsgepreßten Drama über die breite Epik der Meditation bis zum Lyrismus einer eigentümlichen folkloristischen Mischung von Spielfilm und Kulturfilm reichten; und dann die außerordentliche Bereicherung der Partitur durch sowohl neo-ve ristisch-herbe wie lockere, heiterere Klangfarben, deren letzteres Vorbild wohl zum Teil in dem epochemachenden Film von „Don Camillo und Peppone“ zu suchen ist.

„Denn sie sollen getröstet werden“ (England), Zoltans aufrüttelndes und zugleich Trost verheißendes Menetekel aus dem schwarzen Erdteil (vgl. „Furche“ Nr. 17), stand am Anfang und warf die ernsten Schatten seines großen Themas auf die ganze Woche; es wurde in seiner Art nicht mehr überholt.

Ein ungeheurer Spannungsbogen band zwei Filme, die Konflikt und Lösung aus der Umwelt des fraulichen Klosterlebens zeigen. „P r o z e ß im Vatikan“ (Frankreich), der schwierige, von uns kaum mehr voll zu begreifende Weg der hl. Therese von Lisieux zur geistigen Kindheit (von Prof. Espiau de la Maestre den Besuchern in einem tiefdringenden Vorspruch nähergebracht), ist ein hochkultivierter Film mit allen Vorzügen des französischen Impressionismus; der „zweifache Tod“ der Heiligen gehört zu den (seltenen) großen Sterbeszenen der Filmgeschichte. Der scharfe Kontrast dazu, den der (mexikanische) Film „S ch w e s t e r A1 e g r i a“ darstellte, klang schon im Titel an („Sor Alegria“ = „Schwester Heiterkeit“), kam auch sonst überall in dieser Geschichte von einer über ernste Umwege zu förmlich ausgelassener klösterlicher Heiterkeit gelangter Schwester in einem spürbar romanischen Temperament zum Vorschein. Das härtere männliche Gegenstück dazu stellte die straffe Bühnenwirksamkeit des bekannten Jesuitenstückes „D i e erste Legion“ (USA) von Emmet Lavery dar, auf dessen gescheite Dialoge, aber auch theologische und dramaturgische „wunde Stellen“ Pater Dr. G. Strangfeld SJ. im Vorspruch klug hinwies.

„Es geschah in Rom“ (USA), die seltsame Begegnung eines Uebersee-Priesterpilgers mit einem flüchtigen Verbrecher im Rom des Heiligen Jahres, trägt in allen seinen Vorzügen und Flüchtigkeiten der Charakterisierung unverkennbar die Züge eines Don Camillo aus Beverly Hill; er setzt auch jene riskante Verschneidung des religiösen und kriminellen Films fort, die schon einmal in einer früheren Festwoche in dem Film „Auf des Messers Schneide“ ernster und tiefer angeklungen ist.

Zwei Außenseiter stellten diesmal „Eine Handvoll Reis“ (Schweden) dar, die Bewährung des Ehebandes im Prüfstein der harten Alltagszeit (hier des siamesischen Dschungels mit einzigartigen Natur- und Werkaufnahmen) sowie der indische Film „M i r a“, der eine ungewöhnlich aufschlußreiche Begegnung mit .einer fremden religiösen und künstlerischen Welt vermittelte.

Den größten Nachhall unter den Besuchern (am Nachmittag einmal 2000 weinenden und lachenden Kindern!) fand verdient „Peppino und Vio-letta“ (Italien-England). In dieser hinreißenden, legendenartigen Erzählung von franziskanischer Klarheit, Heiterkeit und Anmut von dem Waisenknaben aus Assisi, der das Gruseln — nicht lernen wollte und unerschrocken bis zum Papst vordrang, um für seine kranke Eselin zu bitten, ist echte Kindlichkeit und tiefe Weisheit einen gesegneten Bund eingegangen. Hier ist ein Weg tief in die mögliche Hintergründigkeit des sonst so vordergründigen Films überhaupt gewiesen.

Im Kulturfilm endlich versuchten drei österreichische („Das Werk einer großen Liebe“, „Der Welten Wunder sind acht“ und „Das Haus der heiligen Hemma“) sowie ein deutscher Beitrag („Gott lebt“) die klaffende Lücke zu schließen, die das Nichtvertretensein dieser beiden Länder im diesjährigen Spielfilm der Festwoche hinterließen. Sie hatten nicht ganz den großen Atem der drei Franzosen: „Die Kathedrale von Chartres“, das Miserere von Rouault und „Mont St. Michel“. Im ganzen scheint allmählich überhaupt eine gewisse Ermüdung im Abtasten und Ableuchten sakraler Bauten einzutreten. Hier eröffnen sich einer Avantgarde visionärer neuartiger Kamerakunst eine Fülle von Möglichkeiten und Aufgaben für die Zukunft.

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