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Lust- und Kammerspiel

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Die J osefstadt hat sich ihre letzte Novität durch einen ihrer Schauspieler schreiben lassen und fährt damit kassenmäßig gewiß nicht schlecht. Hans Holt baut mit sicherer Hand sein Lustspiel „Es wird einmal”. — Der Grundeinfall: ein Gutsherr hat testamentarisch seine Angestellten als Wähler des Erben seines Gesamtbesitzes eingesetzt. Bedingung ist nur, daß dieser Erbe aus der Mitte seiner Verwandten genommen werden muß. Holt expliziert diese Komödie als heiteren Schwank um die erb- schleichende vornehme Gesellschaft, die im Buhlen um die Gunst der Dienerschaft mehr oder minder interessante Eigenschaften enthüllt. Diese Welt der „Unteren”, des „Volkes” entstammt nun der Typik des Lowing Bauerntheaters. Leider läßt die Sphäre der „Oberen” diese klare Einfarbigkeit vermissen. Der liebenswürdige Autor, der jedem etwas geben will, versucht sich nämlich hier in einem „Geplätscher in tiefem Wasser”, wie er selbst sehr kühn sein Stück nennt. Der leicht animierte, dem Ulk und G’spaß willig folgende Besucher des Theaters muß nämlich erstaunt im letzten Akt serienweise tiefsinnig gemeinte Aktualitäten und Banalitäten über sich ergehen lassen! Da wird über den Österreicher, den Krieg, das Leben und die Liebe philosophiert —’ nachdem vorher, in rechter Bescheidung auf die flächige Ordnung des Ganzen, nur vom Mörderhirsch, vom Speisen, von den verflossenen Ehefnännern der geschiedenen Gattin des Verblichenen und vom Liebesfrühling des Erbtöchterleins die Rede wat. Das leichte Stück fährt besser ohne diese Mißgriffe. Und Österreich bleibt einige Belastung erspart. In Theater und Film, Literatur Und Kunst droht immer noch die üble Mode, kleine Fische — Sentimentalitäten, Harmlosigkeiten, aber öfter auch schlimmere Sachen, Kitsch und Ramschwaren, mit dem Staatswappen zu zieren. Was unterlassen werden sollte, zu Nutz und Frommen unseres großen und kleinen Welttheaters.

In einer gepflegten, liebevoll betreuten Aufführung hat sich die Insel um eine Arthur-Schnitzler-Renaissance bemüht. „D a s weite Land” will das Land der Seele darstellen. Der Seele einer vergangenen Welt, iener herbstlichen Landschaft — Schnitzlers Wien vor 1914 —, in der die mürben, angestochenen Früchte noch vor dem ersten Donnergrollen der großen Weltgewitter vom Baume fallen. Was für eine Zeit, was für Menschen! Da wird geplaudert und gespielt, man amüsiert sich, betreibt Konversation, geht in die Sommerfrische und bleibt immer in. der guten Gesellschaft. Und da wird viel gelogen, verleumdet, verspielt. Intrige, Ehebruch, Selbstmord, Duell. Ein Zeit- und Menschheitsbild in einem sehr eigenwilligen Spiegel, und in der verzerrenden Optik Schnitzlers. Die Aufführung wird durch das feintonige Spiel Hans Oldens und Elisabeth Epps getragen. Die jungen Schauspieler der Insel finden sich nicht ganz in das Spiel der Vergangenheit. Darf diese Tatsache als ein positives Symptom für eine neue, für unsere Zeit, angesehen werden?

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