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„Martha“ — „Verlorene Liebesmüh“

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Unter den Opernkomponisten der deutschen Hochromantik, die der komischen Oper zu anmutiger Blüte verhülfen haben, ist Friedrich von Flotow gewiß ein bescheideneres Talent, das weder an Nicolai noch an Cornelius heranreicht. Wenn seine „Martha“ trotzdem zu den meistgespielten Werken aus dieser Zeit gehört und heute noch ein entzücktes Publikum findet, hat sie das einerseits

dem handfesten und farbigen Libretto von Wilhelm Friedrich, anderseits dem untrüglichen Sinn Flotows für das wahrhaft Volkstümliche zu danken. Das leichtfüßige und gefällige Musenkind bietet den Opernregisseuren die hübschesten Möglichkeiten, ihre Phantasie zu entfalten. Im Salzburger Landestheater bewies Walter Pohl eine geschickte Hand für das leichte Genre. Er bewegte sich im

höfischen Milieu ebenso sicher wie im rustikalen, verdünnte das sentimentale Element zu lyrischer Transparenz und hatte Erfolg mit der Gestaltung der Volksszenen. Vielleicht könnte man ihm vorwerfen, daß er mit der Stilisierung der Aufzüge des Chors allzu sehr in die Nähe der Operette geriet. Aber ein ehrfurchtgebietendes Heiligtum ist ja diese „Martha“ nicht, und so konnte man sichs gefallen lassen. Sehr wirkungsvoll wurde die Regie diesmal durch das Bühnenbild von Eugen Wintlerle unterstützt. Leider wollte es mit der musikalischen Leitung nicht immer klappen. Karl Heinz Brand vermochte die fugenlose Übereinstimmung zwischen Bühne und Orchester nicht immer herzustellen, es gab manchen verpaßten Einsatz, manches verwackelte Tempo. Maria Antonia Harvey konnte als Lady Harriet nicht zu ihrer gewohnten Sicherheit finden; sie sang befangen, doch in der Höhe hatte die Stimme zuweilen ihre ganz unstoffliche Schönheit. Suze Leal sang die Nancy ein wenig unausgeglichen aber mit sympathischem Humor. Köstlich Robert. Granzer als Lord Tristan, sehr gediegen Kammersänger Kogler aus München als Plumkett und verdientermaßen gefeiert Jakob Solter- mann als Lyonei mit wohltimbriertem Belkanto.

Ein Theatererlebnis, das man nicht vergessen wird, brachte das Gastspiel der „Bristol Old Vic Company“ mit Shakespeares „Love’s Labour's Lost“. Diese na-

türhafte, souveräne Art Theater zu spie len gibt es auf dem Kontinent offenbat nicht mehr. Da war alles vollendet, ohne intellektuelle Akrobatik, einfach und un probelmatisch. Das Spiel rollte mit un beschreiblicher Leichtigkeit ab, im Stilt einer genialen Improvisation, nie wurde outriert, nie unterspielt. Jede Figur wa; eine ideale Verkörperung ihres Urbilds aus dem Geiste Shakespeares geboren: das Ensemble präsentierte sich als eine Gemeinschaft hervorragender Schauspie ler, es gab keinen schwachen Punkt Vielleicht aber liegt das Geheimnis de; faszinierenden Wirkung, die von diese; Aufführung ausging, darin, daß niemanc lieh in den Vordergrund stellte, von Bühnenbildner und Regisseur bis zu der Trägern der Hauptrollen: sie alle stan den ausschließlich im Dienst des Dich ters. Und über welche Sprecher verfüg diese Company! Bei jedem Wort fühlt man sich zu einem schmerzlichen Ver gleich mit unserer verlotterten Bühnen spräche herausgefordert. Unvergeßlicl schließlich, wie auf dem Kulminations punkt der Komödie, während man übe; die den Hofdamen vorgespielte Farci Tränen lacht, plötzlich der Bote mit de Nachricht vom Tode des Königs eintritt ein Schauer aus dem Jenseits allen Über mut verstummen macht, und wie sich da Spiel in die reinste Lyrik eines allgemei nen Abschiednehmens auflöst. Höchsti Kunst, mit selbstbewußter Bescheiden heit und vollendetem Anstand dargebo ten.

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