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Mission des Weltreporters

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FÜNFZIGMAL AMERIKA. Von Raymond Cartier. Vor- und Nachwort von Robert Jungk. Aus dem Französischen von Leonore Schiaich und Max Hai-ries-Kester. R.-Piper-&-Co.-VerIag, München, 1962. Zwei Ubersichtskarten. 491 Seiten. Preis 10.80 DM.

Viele Europäer machen sich auch heute noch unrichtige Vorstellungen von den Vereinigten Staaten von Nordamerika, diesem Land der gigantischen Zahlen, der krassen Gegensätze und der unbeschränkten Möglichkeiten. Selbst die zahlreichen nach 1945 erfolgten persönlichen Kontakte im Weg von Besuchsreisen haben nicht vermocht, manche Vorurteile auszurotten, denn New York, Chikago, die Niagarafalle und Florida sind noch nicht Amerika. In der vom Piper-Verlag herausgegebenen Reihe, „Panoramen der modernen Welt“, ist nun Cartiers Neubearbeitung seines Berichtes „48mal Amerika“ erschienen mit dein neuen Titel, dem Zuwachs von Alaska und Hawai Rechnung tragend. Sechsjährige Arbeit an dem Buch genügte natürlich nicht zu einer erschöpfenden und alle Leser befriedigenden Darstellung Amerikas, was jedoch erzielt wurde, ist ein höchst nützlicher feuilletonistischer Baedeker für alle 5“0 Staaten der Union. Manche werden bedauern, daß Bilder fehlen, vielleicht gerade von den weniger bekannten Örtlichkeiten.

Cartier, zu der führenden Garnitur der Weltreporter zählend, berücksichtigt Geographie, Statistik, Wirtschaft, Verkehr, Industrie, Schulwesen, Finanzen, Konfessionen, Presse, Sport, in oft zu geringem Maß das geistige Leben; er bringt überall historische Erinnerungen, so daß eine kurze, doch komplette Geschichte der USA für ihre 186 Jahre vorliegt. Ein umfangreiches Register gestattet rasches Zurechtfinden in diesem wohl gelungenen USA-ABC, das sehr willkommen ist, da Amerika im Mittelpunkt der Welt steht, die freie Welt unter seinen Schutz genommen hat und einen Isolationismus ebensowenig mehr kennt, wie Europa nicht mehr ohne Bindungen an Amerika bestehen kann.

Der Autor hält strenge Schule mit dem Europäer, der gründlich umlernen muß,

wenn er von den USA sprechen will, der den vor sich gegangenen Wandel in der Struktur der Vereinigten Staaten vom jungen urwaldrodenden Pioniergeist bis zum heutigen europäisierten Erwachsensein zur Kenntnis zu nehmen hat. Aus dem farbenfrohen Mosaik des Textes leuchten nicht wenige Namen und Orte auf, die beweisen, was auch eine junge Nation der Welt bieten kann: Fulton und Wright, Rockefeller und Ford, Washington und Marshall, Mark Twain und Margaret Mitchell (wohl nicht der „größte literarische Erfolg seit der Bibel“, aber zweifellos ein literarisches Phänomen), Hollywood und Canaveral...

Zu beachten erscheint Jungks Vor- und Nachwort. Einleitend wird der Weltreporter vorgestellt als das unentbehrliche „Bindeglied zwischen Berufen und Kontinenten, zwischen Fakultäten und Parteien, Klassen und Rassen“. Das Nachwort zeigt als Zukunftsperspektive „Amerikas Wendung nach innen“. Man spricht von einer „Atlantischen Union“ als das Kind allgemeiner Furcht: Haben die USA Angst vor dem wiedererstarkten Europa? Hat umgekehrt Europa Angst vor dem Wirtschaftsriesen jenseits des Ozeans? Fürchten sich beide vor dem geheimnisvollen Rußland? Soll man sich also nicht enger zusammenschließen? Jungk wirbt für diesen Gedanken im Weg einer inneren Angleichung Amerikas an Europa, und diese Angleichung herbeizuführen, wäre die Aufgabe Europas: „Vielleicht könnte Europa, das so viel materielle Hilfe von Amerika erhallen hat, durch Gegenhilfe seinen Dank abstatten...! Verständnisvolle Kritik, gepaart mit liebevollem, bescheidenem Rat, steht heute dem Mutterkontinent Europa gegenüber dem mächtig entwickelten Sprößling auf der anderen Seite des Atlantik an. Als eine solche Bemühung erscheint mir das vorliegende Buch.“

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