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Das ist ein Sommer! Die berühmten ältesten Leute können sich nicht an einen schöneren erinnern. Nun sind wir schon im August, und im August da war einmal Kaisers Geburtstag. Da gab es auch immer so ein wunderbares Wetter; das Kaiserwetter nannten es die Leute. Ist es das Wetter, ist es etwas anderes? Auch dem Fernsehen scheint es in diesen Tagen ganz kaiserlich zumute zu sein, ganz fürstlich, ganz majestätisch. Und es zeigte uns Träume aus alten Zeiten. Am Sonntagabend hörten wir das Kaiserlied in dem uralten Antel-Schinken „Der Kaiserwalzer“, und am Vormittag sahen wir fast drei Stunden lang eine Fürsten-hochzeit. Der Erbprinz führt seine Gräfin heim. Da gibt es Banausen, die meinen, eine Hochzeit wäre eine Privatangelegenheit. Man solle das Brautpaar und man solle die Fernseher nicht mit einer Schaustellung belästigen. Wie wenig haben sie Verständnis für die Wunschträume, die in den hintersten Winkeln der Seele nisten, wie wenig aber auch Verständnis für die Imponderabilien der modernen Massengeseilschaft. Wenn der Erbprinz sein Komtesserl aufs Schloß führt, dann ist das keine Privatangelegenheit. Die Schaustellung ist der Tribut, den die Gegenwart dafür fordert, daß sie solche Einsprengsel der Vergangenheit duldet.

Wer also am Sonntag nicht gerade baden war, der saß vor dem Bildschirm und dachte sich, wie schön das eigentlich sei. So schön Wie die eigene Kindheit, in der man mit Ritterburgen und Prinzessinnen-püppchen spielte. Vielleicht liegen sie noch irgendwo verstaubt herum, man möchte sie gerne hervorholen und so glücklich sein wie damals. Und nun zeigt sie uns das Fernsehen. Ist es nicht wunderbar? Die biederen Schweizer, grimmige Republikaner seit Jahrhunderten, sind stolz darauf, ein solches Liechtensteinchen bei sich zu haben, nur unsere Republikaner, mit weniger Traditionen, aber dafür mit mehr Ängsten belastet, sehen den Staat in Gefahr, wenn zum Beispiel einer, dessen Ahnen auch einmal Kaiser waren, im Lande herumfährt und sich bejubeln läßt. Laßt ihn doch! Er ist so zeitgemäß und so gefährlich wie die Vorderlader der Schützenkompanien, die ihn begrüßen.

Kein Märchen, sondern bittere Wahrheit, gefiltert und konzentriert durch die Bitternis eigenen Erlebens war Herwig Seeböcks „Große Häfenelegie“. Schon die Vorgeschichte zeigt, wie leicht ein ahnungsloser Zeitgenosse zwischen die Räder der Justiz gelangen kann und wie es dann mit der „Resozialiisierung“ aussieht. Die mimische und stimmliche Begabung des Schauspielers Seeböck hat uns viel lachen lassen, sie soll uns aber darüber nicht hinwegtäuschen, daß hier ein Zipfel des Vorhangs gelüftet wurde, hinter dem sich auch in unserer Wohlstandsgesellschaft jene andere zweite Klasse verbirgt, jene, die man nicht sieht, weil sie im Dunkeln steht. Vielleicht hat sich Seeböck die Korrigierung der Justizbeamten zu leicht gemacht. Daß es einfache Menschen sind, ist nicht ihre Schuld. Es fällt auch schwer, von Schuld zu reden bei jenen, die durch die Faschiermaschine des Strafvollzugs durchgedreht werden und dann richtig zu dem werden, vor dem sie die Gesellschaft bewahren will, zu Verbrechern. Durch diese parodistische Einmannschau tönte immer wieder das mahnende Wort des Richters: „Es wird Ihnen eine Lehre sein.“ Wird es uns eine Lehre sein? Wir lachen wohl nur darüber.

Samstag spät abends gab es noch einen packenden Kriminalfilm, „Das MörderspieZ“. Die Deutschen lieben es, in ihren Produktionen — das österreichische Fernsehen übrigens bis vor kurzem auch — ihre Kriminalstücke und ihre Verbrecher in den besten Kreisen anzusiedeln. Was wie eine honorige Gesellschaft erfolgreicher Kaufleute, Unternehmer, Künstler, Architekten aussah, das entpuppt sich dann bei näherem Zusehen als ein Morast von Betrügern, Verbrechern, Ehebrechern. Nur eines ist nicht angestochen in dieser dunklen Gesellschaft: die Polizei. An irgend etwas muß sich der Staatsbürger ja doch noch halten können.

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