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Nach Emaus

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Der lieblichen Episode von Emaus gedenkend, wandern wir durch ölgärten, welche die ersten grünen Blütendolden ansetzen, und über Felswege nach der Stätte, da Christus den beiden Jüngern erschien, die traurig von der Kreuzigung aus Jerusalem zurückkehrten und Ihn baten: „Herr, bleib bei uns, denn es will Abend werden“. Nur einige Häuschen sind von der einstigen Stadt geblieben, welche die Heimat Simeons, des zweiten Bischofs von Jerusalem, war. Heute heißt sie Kubebi, das heißt „die kleine Kuppe“, und schon die Kreuzfahrer fanden hier die Trümmer eines alten Heiligtums; 1873 wurden die Grundmauern einer drei-schiffigen Kirche entdeckt, in die offenbar ein Haus hebräischer Art eingebaut war, dergleichen nur vom Abendmahlsaale am Sionsberg in Jerusalem bekannt ist. Die Franziskaner der Kustodie vom Heiligen Lande hüten heute die Kirche, die 1901 über den alten Spuren errichtet wurde.

Am Brechen des Brotes erkannten die Jünger den Herrn, aber „Er entschwand ihren Augen“. Worauf sie nach Jerusalem eilten, den Aposteln die Kunde der Auferstehung zu bringen. Dies ist wohl entscheidend in dem Wettstreite zwischen Kubebi und Amwas am Ausgange der Judäischen Berge nach der Jaffaebene bei Latrum, dem alten Nikopolis, das ebenfalls einst Emaus hieß und den Ruhm dieses Wunders für sich beansprucht. Nach alter Kunde lag Emaus „60 Stadien“ von Jerusalem entfernt, so daß die Jünger „am Abend“ wohl noch vor Schließung der Stadttore Jerusalem erreichen konnten. Während Amwas von der Stadt „176 Stadien“ (32,5 Kilometer) entfernt war, also es unmöglich scheint, von dort noch in die Stadt, gelangen zu können.

Weiter oben haben die Lazaristen aus einem der kahlen Hügel, wie sie sich rings-: um erheben, einen Park und einen Fichtenhain gemacht, ebenso überraschend wie ihr paradiesisches Hospiz in Tabgha am Tiberias-see, wo Orangen und Bananen gedeihen. In jahrzehntelanger Arbeit hat der eben ver-

buchene P. Müller die Anlagen von Kubebi geschaffen, die den Arabern beweisen, was selbst hier, selbst aus einer Steinwüste, hartnäckiger Fleiß zu machen vermag. Vom Parke aus, in dem ein munterer Gazellenbock hüpft, und — um Zigaretten bettelt, bietet sich der herrliche Weitblick über das Scharonland, in dem die ersten jüdischen Siedlungen entstanden sind und so erfolgreich moderne, intensive Bewirtschaftung eingeführt haben.

Im Parterre beginnt die Blütezeit der Rosen, die bis Jänner dauert und in der sich der „Hobby“ der Engländer, „gardening“, betätigen kann. Noch vor wenigen Jahren war diese Bestellung eine schwere Aufgabe, als nur dreimal in der Woche einige Stunden Wasser zufloß und im übrigen Zisternenwasser gespart werden mußte, bis nun die Engländer die Wasserleitung nach Jerusalem bauten, die das Wasser von der Jaffaebene heraufpumpt, eine der größten Leistungen der Mandatsverwaltung, wie auch die guten

Asphaltstraßen, 3as Sanitatswesen und die Finanzgebarung.

Noch köstlicher als die Rose, die Königin der Blumen, blüht nun bald die Passionsblume, die — freilich noch nicht am Oster-tische — in der Kristallschale wie eine Seerose ihre weißlila Blätter ausbreitet und am braunen Stempel die gelben Staubgefäße in der Form der Leidens Werkzeuge trägt. Zu Hunderten blüht sie an wilderr Hecken der Gärten bis in den Herbst hinein, bis die üppigen, prälaten-lila Bougainvilliers unter den Dächern der kleinen arabischen Häuser sie ablösen.

Osterzeit im Heiligen Lande, seltsames Zusammenfallen innerer seelischer Wiedergeburt in den Geheimnissen des Leidens und eines Aufleuchtens eines kurzen Paradieses in der Natur. Denn wenige Wochen nur, und Sonnenglut und Kamsin haben diese Pracht gedörrt, die Felder gebleicht, in Sandwüste und Karst erstirbt scheinbar die Natur — bis zur nächsten Auferstehung.

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