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Opernsängerinnen im Konzertsaal

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Wer das Wiener Publikum einmal erobert hat, dem bleibt es treu, nimmt persönlichen Anteil nicht nur an seiner Kunst, sondern auch an seinem Leben. Er wird zum verwöhnten Lieblingskind der Familie, stets mit besonderer Freude begrüßt, deren herzlicher Unterton das Beste und Höchste ist, das die Wiener zu vergeben haben. Davon durfte sich Irmgard Seefried überzeugen, als sie nach längerer Pause erstmals wieder im Konzertsaal erschien und an einem Abend des Schneiderhan-Quartetts Respighis „II Tramonto“ sang. Wir haben zu diesem Werk (Impressionismus aus zweiter Hand) nicht allzu viel Beziehungen! der lebhafte Beifall galt vor allem dem Wiederauftreten der Künstlerin, deren große weiche und verhalten süße Stimme mit ihrer Natürlichkeit des Singens, ihrem Gemütston und ihrer stets irgendwie versteckten Humorik sich mühelos ins Herz singt, was der kritische Verstand immer erst im nachhinein bestätigen kann durch seine Feststellung enormer künstlerischer Werte, die in der reinen Intonation und der Sicherheit der Phrasierung gipfeln. Außerdem: Irmgard Seefried singt nicht nur die Melodie, sondern auch den Text. Beides ist Ihr ein erfühltes Ganzes, wodurch ihr Vortrag, obwohl ganz Musik, über die rein musikalische Wirkung hinausreicht und sich als eine solche der Persönlichkeit erweist.

Eine ähnliche, aber doch nicht gleiche Art der Huldigung wurde der in Wien lange nicht gehörten Elisabeth Schwarzkopf an ihrem Hugo Wolf gewidmeten Liederabend bereitet. Heller im Timbre, lerchenhafter in den Höhenlagen, jubelnder im Klang und wohl auch wendiger im schnellen Wechsel des Ausdrucks, aber weniger gemütsverbunden und daher unruhiger im Substanziellen des Tons, im Bildenden stärker als im Beruhenden, st ihre Kunst ein beglückendes, doch nicht persönlich beglückendes Erlebnis. In der Gestaltung der Wolfschen Lieder bewies Frau Schwarzkopf souveräne Beherrschung aller Mittel, um auch dem dichterischen Gehalt dieser Musik gerecht zu werden: religiöse Inbrunst, goetheschen Gedankenschwung und seine bildhafte Verstromung, schalkhafte Neckerei der Verliebtheit bis zum lachenden Geständnis der Unbeständigkeit — jeder Ton saß, bewußt und nervös, überzeugend an seinem Platz; aber eben bewußt und nervös überzeugend und nicht unbewußt gemüthaft. Dies ist der feine Unterschied.

Der Beweis großer künstlerischer Disziplin, sich nicht mit dem gut Gelegenen und Erprobten zu begnügen, sondern die Spröde der Materie zu besiegen und scheinbar Wider-ständigstes zu meistern, ist die Grundlage der Programme Elisabeth Höngens, die in diesem Sinne stets überraschen. Ihren letzten Liederabend begann die Künstlerin mit alten Meistern des deutschen Liedes von H. Albert bis Zelter, deren kurze Phrasen und choral-oder tänzchenartigen Bögehen tatsächlich ihrer weitausschwingenden Stimme heterogen sind. Der Kontrast mag ihr die Liedchen ebenso pikant gemacht haben als dem Publikum seine vollkommene Uberwindung. Die Stimme vermochte sich mühelos im Kleinformat zu entfalten, ohne es zu sprengen, ohne auch sich selbst Gewalt zu tun; ebenso mühelos, wie in den folgenden Liedern von Egon Kornauth die romantischen Bogen mit pulsierendem Leben und in Mussörgskis „Lieder und Tänze des Todes“ mit dramatischer Unmittelbarkeit zu erfüllen. Die große Altstimme lrrlichtert ein wenig zwischen objektiver Kühle und explosiver Ausdruckskraft, die zumal in den höheren Lagen überzeugende Kraft besitzt. Ihr Gesang aber ist durchzittert von einem vertrauten Fluidum, das auch die kühlste Objektivität durchbricht und ihr die Herzen öffnet. Es ist überaus bezeichnend, wie sehr diese „kühle“ Stimme das Publikum erwärmt. Ein Beweis der Echtheit und inneren Wahrhaftigkeit ihrer Kunst, die sich, den Abend beschließend, m den verhaltenen Liebesliedern Anton Dwofaks voll und groß auslebte; reifes, durchgeistigtes Menschentum, gelöst in Wohllaut und Güte.

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