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Von jungen Musikern

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Eine bedeutende junge Geigerin, Pina Carmirelli, spielte in einem schlecht besuchten Saal ein sehr ernsthaftes Programm: Bach, Busoni, Szymanowski, de Falk. Sie spielte mit einer starken und doch gezügel-ten Leidenschaft, musikalisch und virtuos zugleich, doch herrschte das Musikalische; ja, sie mied gewohnte Wege, gab sich den Problemen von Busonis zweiter Sonate hin, die in ihrem großartigen Ansetzen und ihrem ergreifenden Versagen ein so zwingendes Selbstbildnis ihres Autors malt. Da war kein Versuch, zu blenden, kein Werben um Beifall. Die junge Italienerin ist eine von denen, die „nach innen“ spielen. Aus Rom kam der Bassist Mario Petri, stattlich gewachsen, ein wenig an Jerger erinnernd. Als er zu singen begann, und noch weit in den Abend hinein, stieg eine Erinnerung* auf: hat nicht so, in gehauchtem Piano, in dröhnender, aber immer noch weicher, nicht erzharter Fülle des Tons, Schaljapin gesungen? Und was Petri sang, kannte man zu gutem Teil von Schaljapins Platten her. Eine übermächtige Fernwirkung? Bewußtes Nachahmen? Blenden? Dann erfährt man, daß der Sänger zweiundzwanzig Jahre alt ist — hier formt wohl Jugend unbewußt aus eigenem und aus Vernommenem ihr erstes Wort, und es sprach an. Zunächst ist wohl die Bühne der angemessene Spielraum dieser ungewöhnlichen Begabung, die Zukunft verspricht, Möglichkeit reicher Entwicklung hat.

Ein junger Meister: so darf der französische Violoncellist Pierre Fournier wohl heißen. Es ist eine vollkommene Ausgeglichenheit seines Könnens gegeben, die kleine, zufällige Mängel im einzelnen nicht ausschließt. Ein Ton von natürlicher Süße, nicht triefend und nicht versäuselnd, nimmt vor allem für den Spieler ein. Ob seine Kunst ins Persönliche reicht? Meisterschaft muß nicht mit Persönlichkeit identisch sein. Sein Lach-Spiel ließ jede Frage vergessen, es strömte so natürlich, so unsentimental empfunden, so gesund ohne Derbheit, daß man sich einfach der Mvsik erfreute.

Anton Fietz spielte mit Orchester: Bach, Brahms, Chatschaturjan Man kann .heute auch von ihm sagen, daß er ein junger Meister seines Instruments ist — und überdies ist er ein guter, ernster Musiker, und aufs Jongleurtum des Geigenspiels ist er nicht aus, was ja schon das Programm aussagt. So hatte der Abend einen guten Klang, er brachte eine ausgezeichnete Bewährung und einen verdienten Erfolg., Am meisten ging Fietz aus sich heraus und am freiesten fühlte er sich im Konzert von Chatschaturjan, das übrigens wirklich als Bereicherung empfunden werden kann: es hat Farbe, Einfall, Glanz, Abwechslung, Empfindung, Witz. Und: das ist eine neue Aufgabe, nicht von dreißig berühmten Vorläufern des Interpreten in eine „klassisch“ gewordene Wiedergabeform (oder in ein paar Typen der Wiedergabe) gegossen, da hat die eigene Art des Interpreten noch Spielraum, und Fietz nützte ihn prächtig.

Schumann, Romantik der Romantik, heute: wie stellt sich die Jugend dazu? Katharina Heinz hat ihren ganzen Klavierabend 'Schumann gewidmet. Wenn sie nun gerade das romantisch Versunkene, Versonnene um eine Spur kühler gebracht hat, als wir es gewöhnt sind, so ist das doch nicht als Ferne, als Entferntheit vom Wesen Schumanns zu nehmen — denn schon die Werkwahl des Abends spricht ja deutlich genug; nein, eine neue Generation hat ein neues Verhältnis zum Erbe der Kunst, und vor allem war die Klarheit und Sicherheit des Spiels eine rechte Huldigung vor dem Klavierpoeten Schumann, dessen Schwung und Geist glückhaft beschworen war.

Was Österreich an Talenten auch in schwierigsten Zeitläufffn hervorbringen kann, bewiesen schließlich im großen und feierlichen Rahmen die Konzerte des österreichischen Musikwettbewerbes für Geige, Klavier und Gesang. Schon . die Durchschnittshöhe der Leistungen war hocherfreulich. Das wohl unbestritten Beste, das sich schon absolut werten läßt, vollbrachte Paul Badura-Skoda in Liszts Es-dur-Kon-zert. Nicht nur, daß er die Schwierigkeit überlegen bewältigte, daß er auch verhältnismäßig viel Kraft zu geben hatte, sicherte ihm den ersten Preis. Daß er dem Werk auch seinen virtuos-schwunghaften Stil zubringen konnte, so daß es zu seinem wirklichen, edel-ritterlichen, im besten Sinn großartigen Leben erwachte, bedeutete das Ereignis. Daneben verdient Jörg Demus, auch ein „Nach-innen-Spieler“, verdienen die Mozart-Spielerinnen Häbler und Scherzer Preis und Lob. Unter den Geigern siegte die elegante Brillanz Joseph Roys über das starke, aber nicht ganz gelöste Können Gustav Swobodas, über den wohl durchgebildeten Beethoven-Vortrag Walter Pusch-achers und das mit zartem Schwung und fühlsamer Kantilene entsprechende Brahms-Spiel Eva Hitzkers. Der Gesangpreis fiel dem dunkelschönen Sopran Gertraud Hopfs und dem beträchtlichen Ziergesangskönnen Edith Holters zu. Da alle diese Namen überdurchschnittliche Leistungen bezeichnen und sich des Preises wert erwiesen, kann das Ergebnis des Wettbewerbes ohne Schönfärberei als voller Erfolg gelten. Die durch Preise ausgezeicheten Kompositionen sind noch nicht zur Aufführung gekommen.

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