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Aus den Wiener Konzertsälen

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Ein Prelude für Streichoktett von Schostakowitsch, in Franz Litsch-auers erstem Kammerkonzert vom Streidiorchester gespielt, hinterließ lebendige Wirkung: Besonderheit des Einfalls, der klanglichen Anlage, des Harmonischen und Rhythmischen ergaben ein Ereignis. So viel kann von den „drei phantastischen Tänzen“ des gleichen Komponisten nicht gesagt werden, die durch Moura Lympany überzeugende Wiedergabe erfuhren, aber Frische und Laune blitzte auch aus den Klavierstücken. Nicht neu, aber von neuem fesselnd, erklang Josef Lechthalers Variationensuite für Gitarre, ein kleines Werk von der eigenen Art seines Autors, von strenger Einfachheit und im Rahmen der Möglichkeiten des Instruments. Größere, starke Wirkung geht von Lechthalers „Totentanz“-Suitf aus, die. auf Gedichte Franz Kriegs geschrieben, alte Tanzformen reiht und in ihrem bäuerlch-wuchtigen Gehalt unwillkürlich wieder den Vergleich mit dem harten und herben Stil alter Holzschnitte wachrief.

Aus jugendlich romantischem Musiziergeist geboren, munter und wieder versonnen, erwies sich eine Geigensonate von Fritz Worff (von Gustav Swoboda und Hilde Worff gespielt) als erfreuliche Neubekanntschaft. Auch die B a c h-Gemeinde hat, ohne doch ihrem Geist untreu zu werden, einem Wiener Komponisten ihren Wirkungsraum geöffnet: G u-stav Donaths Kantate .Maria durch ein' Dornwald ging“, ein über einem alten Marienlied schön gesetztes, von echter Stimmung erfülltes und in reiner Steigerung aufgebautes Werk. Dem Schaffen Carl Lafites waren zwei Abende gute Helfer. Lafite, typischer Wiener Musikant, voll Anregbarkeit, ein Künstler der leichten Hand und in vielen Formen zu Haus, hat das Kammerlied auch mit Streichquintettbegleitung gepflegt. Zu seinem Gedenken ist eine Reihe dieser fein ansprechenden, in sehr verschiedenen Stimmungen wirksamen Gesänge aufgeführt worden. Lafites gedachte auch die Mozart-Gemeinde, indem sie die Sprechkunst einer Maria Eis und eines Albin Skoda für das große, farbenüppige Melodram vom „Kaufmann Kalaschnikoff“ aufbot; den Klavierpart formte Erik Werba sehr plastisch.

Schwer ringen die blinden Musiker um Geltung. Immer wird ja bei ihrem Leisten und Können erst die Überwindung des Hindernisses gewertet werden müssen, das d:e Blindheit für Lernen und Üben bedeutet. Des mutige Dennoch, in so guten Leistungen bewährt, wie sie zwei Abende neulich gezeigt haben, verdient besondere Anerkennung. Geige, Violoncell, Klavier (die Herren Tuschl, Franz, Schmalzl) wußten sogar schwierige Aufgaben orchesterbegleiteter Konzertwerke vortrefflich zu bewältigen.

Ein blutjunger Klavierspieler kündigt einen Bach-Abend an: zweimal sechs Präludien und Fugen aus dem „Wohltemperierten Klavier“, dazwischen die Chromatische. Wer zweifelnd gekommen war, wurde überzeugt: Jörg Demus spielte beherrscht, zuchtvoll, gar nicht wildfanghaft, er „dramatisierte“ nichts, die Darstellung war überaus klar, und dabei strömte dk vollste Musik, ein Seelengesang aus den Präludien und Fugen — und wo es so strömt, da kann von Trockenheit und „Studienwerk“ nicht die Rede sein. Ein ganz anderes Bild: eine junge französische Geigerin, J a n i n e A n d r a d e, Rivalin der Neveu, mit der sie sich den großen Pariser Preis geteilt hat, in ihrem großen Können, in ihrem etwas gezügelteren Temperament. Sie zeigte eine vollkommene Harmonie aller geigerischen Mittel vor, da war nichts zu bemängeln: Ton, Strich, Intonation, Brillanz, alles stimmte und strahlte, doch noch scheint es ihr nicht um die innersten Werte zu gehen, noch ist ihr Glanz und Süße alles Den Weg zur objektiven Meisterschaft, zur höchsten Freiheit des Könnens zu gehen, scheint Willy Boskovsky entschlossen. Als er neulich mit Orchester spielte, hat er seine bisher unstreitig bedeutendste Leistung gegeben: sternklar der Ton, unfehlbar die Griffe, von hoher Ausgeglichenheit der Vortrag, immer noch verhalten, aber, bei Brahms zumal, zart aufblühend.

An Brahms hat auch Hans Hotter seine Kunst gewendet, indem er die „Mageion“ sang. Hotter hat die Schwierigkeiten

der Interpretation auf eine anheimelncte Alt gut überwunden: er ließ von seiner Frau Helga die Erzählung lese, was sie in feiner Schlichtheit besorgte, od stuf solchem zartsUberoem Sammet erblühte die Pracht der Stimme in goldener Fülle and in rechter Herzlichkeit.

Mit einer herrlichen Caldara-Arie hat sich Ninon Vallin, die große Meisterin des Singens und Stimm bewahr ciis, vor allen übrigen in Herz und Erinnerung gesungen. Elisabeth Höngens bewahrt ihren gestalterischen Ernst a schwierigem, fast sprödem Beethoven und seltenem Schumann. Irmgard Seefried verleugnet auch im Konzert nicht ihr vieler Farben mächtiges Theatertemperament, ihre Kunst, damit zu schalten, es auch dem Zierlichen, Pointierten dienstbar zw machen. Einen Abend widmete sie dea Liedern von Josef

Mtrx, der mit seiner so persönlichen Art des Klavierspielens den Eindruck des sozusagen authentischen Abends noch steigerte. Auch Alfred Poell hat sich seinen, verdienten Platz unter den Lieblingssängern des Wiener Publikums, das Lieder Hebt, errungen. Eine noble Gehaltenheit ist sein eigenster Bereich, aber er hat sich auch das Feinhumoristische, das Leidenschaftliche zu eigen gemacht, wie er diesmal an Schubert, Mahler und Wolf bewies. Anton D e r m o t a, auch er ein Liebling der Wiener, strebt in seinem Liedersingen der reinsten Wirkung, dem edelsten Gute zu: sein letzter Abend hat eine fein gewählte und gereihte Folge von Liedern gebracht. Das Beispielhafte solcher Wahl hat auch den Vortrag durchleuchtet, hat Geschmack zu Feinsinn gesteigert. Hier geht ein guter Wog.

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