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Kleine Chöre, große Sänger

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Motetten des 16. und 17. Jahrhunderts im ersten, Chorlieder der Gegenwart und Negro-Spirituals sang der St. J o h n's University Men's Chorus (USA) unter seinem Leiter Gerhard Track. Wenn zunächst ein Programm von 20 Nummern für Männerchor wenig abwechslungsreich erscheinen mag, so bewies dieser Studentenchor das Gegenteil. In allen diesen 20 Nummern klang nicht ein einziges Mal der Liedertafelton auf, was durch die Wahl des Programms bedingt, aber durch die Frische und geistige Ausdrucksfähigkeit der Stimmen verwirklicht wurde. Eine schöne Geste war es, unter den Kompositionen der Gegenwart, die österreichischer Komponisten an die Spitze zu stellen, von denen wieder Ernst Tittels „De profundis“ und Hans Bauernfeinds „Mensch, werde wesentlich“ die musikalische Spitze hielten durch ihre Knappheit und Substanzdichte in schlichter Form. Mit den Negro-Spirituals holten sich die jungen Amerikaner Superbeifall.

Ein einmaliges Erlebnis mehrstimmigen Singens aber vermittelte uns ein Quintett erlesener, zu einem einzigen Instrument zusammengewachsener Stimmen, das sich The Deller Consort nennt. Sie sangen altenglische, italienische und französische Motetten und Madrigale und facettierten diese Kostbarkeiten in stimmlichen Lichtern, wie sie der gröberen Wirkung des Chorgesangs versagt bleiben. Zweifellos kamen sie damit der alten Singkultur dieser vielfach als Hausmusik geübten Genres viel näher, als dies heute im Durchschnitt geleistet werden kann. Denn diese Stimmen sind auf jenen objektiven Ton geschult, der ein Abgleiten in solistische Einwirkung ebenso verhindert, als er genau dem Stil des 16. Jahrhunderts entspricht, dem sämtliche Kompositionen angehören. An Subtilität der Leistung und Wirkung wurde dieser Abend bisher noch nicht erreicht, und schon gar nicht überboten. Die Namen der fünf Sänger sind: Alfred Deller, Kontratenor, mit wenigen Gesten den Dirigenten markierend, ferner Honor Sheppard und Mary Thomas, Soprane, Robert Tear, Tenor, und Maurice Bevan, Bariton. Sitzend um einen Tisch gruppiert, boten sie das Bild einer musizierenden Familie.

In einem A-cappella-Konzert sang der Madrigalchor Sankt Veit (Wien) unter seinem Leiter Xaver Meyer alte und neue Chorlieder in bunt gemischter Folge. Es handelte sich meist um kurze, vielfach humorige Lieder. Dem einzigen Zyklus: „Der Bauer“ von Joseph Lech-t h a 1 e r, fehlte leider das Hauptstück, das Spingeser Schlachtlied. Befremdend war ferner, daß trotz zwölfseitigem Programm anstatt der Texte nur Inhaltsangaben abgedruckt waren. Diesen immensen Anforderungen an Textverständlichkeit entsprach der Chor leider nicht. J=r scheint überhaupt keinen besonders guten Tag gehabt zu haben; auch Intonation und musikalische Konzentration waren weniger gut, als man nach bereits Gehörtem von diesem Jugendchor erwarten durfte. Allerdings stand er diesmal in schärfster Konkurrenz (St. John's University Men's Chorus, The Deller Consort).

Rudolf Schock, begleitet von Robert Wallenborn, sang im Theater an der Wien Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Man ist bei diesem Programm gewohnt, hohe Anforderungen zu stellen, da man es von den Besten immer wieder hört. Schock erfüllte diese Anforderungen in seiner Weise, vor allem durch die Frische seiner Stimme, die zwar in der Höhe zuweilen trocken klingt, aber doch allen Ausdrucksnuancen gerecht zu werden vermag. Da er (trotz vorbildlicher Textbehandlung und -ausspräche) der Melodie ihr Recht ließ und Überbetonungen vermied, entstand ein geschlossener runder Eindruck von leicht elegischer Stimmung, Romantik im besten Sinne. Und dafür dankte das Publikum begeistert.

Das Lassalle-Quartett („Quartett in residence“ am College Conservatory of Music in Cincinnati) zeigte sich mit den „Drei Stücken für Streichquartett, 1914“ und dem „Concertino“ von Igor S t r a-w i n s k y, mehr noch in der ambitionier-ten Wiedergabe der Lyrischen Suite von Alban Berg der modernen Kammermusik aufgeschlossen und — etwas jugendlich ungestüm, aber in unangekränkelter Frische — bemüht, ihre Probleme zu bewältigen. Ein sehr sauber gespieltes Streichquartett von Mozart (d-Moll, KV 421) blieb dagegen unterkühlt, wobei das „Mozartischeste“ verlorenging. F. K.

Es war ein guter Gedanke der Fes t-wochenintendanz, George London wieder auf die Bühne des The a-ters an der Wien zu bitten, wo er, damals noch fast ein Anfänger, durch einige höchst eindrucksvoll gestaltete Partien unvergeßliche Eindrücke hinterlassen hat. Aber George London ist auch — und wir wissen das nicht erst seit diesem Abend — ein hervorragender Liedersänger. Sein Programm war vielseitig, aber nicht eigentlich bunt: zwei Händel-Arien, Zyklen von Schubert und Faure sowie, als Höhepunkt, die „Vier ernsten Gesänge“ von Brahms, zum Abschluß englische Seemannslieder und ein Monolog aus „Fürst Igor“. Natürlich liegen London die dramatischen Lieder mehr, aber auch im Lyrischen hat er einen ergreifenden Ausdruck und steht, durch den Ernst und die Reife seiner Gestaltung, in der allerersten Reihe der Liedersänger. Erik W e r b a begleitete mit jener Meisterschaft, die man immer wieder an ihm bewundert.

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