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Pius XII. und die Juden

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Der Autor, ein ehemaliger Offizier der Jüdischen Brigade bei der 8. Britischen Armee und nachmaliger israelischer Konsul in Mailand, der unmittelbar Zeuge der Hilfe des Papstes Pius’ XII. an die Juden war, nimmt im vorliegenden Artikel, der „Die Furche“ über Vermittlung von Univ.- Prof. Dr. Kurt Schubert erreichte, zur „Sache Hochhuth“ Stellung, dessen skandalumwittertes Stück „Der Stellvertreter“ in Kürze auch in einem Wiener Theater aufgeführt werden soll. Die Redaktion

Ich bin überzeugt, daß das Drama „Der Stellvertreter" von Rolf H o c h- h u t h dem verstorbenen Papst Pius XII. ein großes Unrecht antut.

Jahrelanges Studium aller Aspekte des traurigen Schicksals unserer Brüder in Europa brachte mir eine Reihe klarer Beweise, die den Grundgedanken Herrn Hochhuths widersprechen. Hier sind einige dieser Tatsachen, die ich entweder aus persönlicher Erfahrung kenne oder aus glaubwürdigen Quellen eruieren konnte:

Der erste Kontakt mit jüdischen Flüchtlingen, den ich als Offizier in einer palästinensischen Kompanie, die in der 8. Armee kämpfte, auf europäischem Boden hatte, fand am Weihnachtstag 1943 im Internierungslager Ferramonti-Tarsia bei Cosenza in Süditalien statt. Was die persönliche Intervention des Papstes für die 3200 Juden in diesem Lager erwirkte, hörte ich mit tiefster Erregung aus dem Munde der Lagerleiter. Diese Gefühle fanden beredten Ausdruck in dem Dankschreiben, das die Lagerältesten auf Bitten aller Internierten dem Papst am 29. Oktober 1944 überreichten. Hier ist die wörtliche Übersetzung einiger Auszüge dieses Dokumentes aus dem Italienischen:

„Eure Heiligkeit!

Nachdem die siegreichen alliierten Truppen unsere Fesseln gesprengt und uük’ ätt deP dftingensitiüfF uiffl den G'ėfdHPėli"8 frei? haben', thögl?'W”Mis įiidiSchen Internierten von ’ Ferramohti gestattet sein, unseren zutiefst empfundenen und ergebenen Dank für den Trost und die Hilfe auszusprechen, die Eure Heiligkeit in väterlicher Sorge und unendlicher Güte in den Jahren der Internierung und Leiden uns zu spenden geruhten.

Während wir in fast allen europäischen Ländern wegen unserer Zugehörigkeit zum jüdischen Volk verfolgt, eingekerkert und mit dem Tod bedroht wurden, hat uns Eure Heiligkeit durch S. E. den Apostolischen Nuntius Monsignore Borgongini-Duca am 22. Mai 1941 und am 27. Mai 1943 nicht nur beträchtliche und großmütige Geschenke ins Lager gesandt, sondern sie hat uns auch das lebendige väterliche Interesse für unser leibliches, geistiges und moralisches Wohlergehen bewiesen. Eure Heiligkeit hat auf diese Weise angesichts unserer zu jener Zeit noch so mächtigen Feinde als erste und höchste Autorität auf Erden unerschrocken die in aller Welt verehrte Stimme erhoben, um offen unsere Rechte auf Menschenwürde zu vertreten, und gab dadurch jenen unter uns, die schon am Verzweifeln waren, das Vertrauen zurück und stärkte in uns allen den Glauben an den Triumph dieser Ideale . . . Als uns im Jahre 1942 die Deportation nach Polen drohte, breitete Eure Heiligkeit Ihre väterliche Hand schützend über uns aus, verhinderte die Deportation der in Italien internierten Juden und rettete uns damit vor dem nahezu sicheren Tod .. . Auf das lebhafteste vertrauend und hoffend, das Wirken Eurer Heiligkeit als des Hauptes der Christenheit möge von Erfolg gekrönt sein, sei uns gestattet, unseren tiefsten Dank auszudrücken, indem wir den Allmächtigen anrufen:

Es möge Eure Heiligkeit auf diesem heiligen Thron noch viele Jahre regieren und Ihren wohltätigen Einfluß auf die Geschicke der Völker ausüben.

Oktober 1944.

Der Direktor und die Gemeinde der jüdischen Internierten des ehemaligen Lagers Ferramonti-Tarsia, gez. Jan H&Mahnp gil 'Mdfx'P&feHes:"'

Ähnliche Schreiben sah ich bei drei anderen jüdischen Delegationen, die im Winter 1944/45 nach Rom kamen, sowie bei einer Gruppe von 72 Juden, die am 29. November 1945 aus den KZs Deutschlands in Rom eintrafen, um dem Papst Alben, gerettete Bibelschriften und andere schlichte Dankgeschenke zu überreichen.

Im Juni 1944 besetzten die Alliierten Rom, und im Bulletin der Jüdischen Brigade, die in der 8. Armee kämpfte, hieß es im Leitartikel auf der ersten Seite:

„Zur immerwährenden Ehre des Volkes von Rom und der Römisch- Katholischen Kirche ist das Los der Juden durch ihr wahrhaft christliches Angebot der Hilfe und des Obdaches erleichtert worden. Sogar jetzt bleiben viele noch in Gotteshäusern, die ihre Pforten öffneten, um sie vor dem Schicksal der Deportation in den sicheren Tod zu bewahren . .. Aus offensichtlichen Gründen kann die ganze Geschichte der Hilfe, die die Kirche unserem Volk gewährt hat, noch nicht erzählt werden.“

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