6678562-1961_33_07.jpg
Digital In Arbeit

Quadros liebt rote Gäste

Werbung
Werbung
Werbung

Tonnenweise exportiert gegenwärtig Rotchina Kampfschriften, über Kuba ergießen sie sich nach Lateinamerika. Noch angewärmt von den chinesischen Handelsleuten, füllt sich der Palast des Präsidenten „JQ" mlt'leinem starken’Giefolge.nDie 'An ’ füh¥te höißt M. P. Gßtfigädgej sSekm' tär des Präsidiums des Obersten Sowjets. Der klare Winterhimmel über der Hochebene von Brasilia mit seinem erfrischenden reinen Wind läßt keine Täuschung über den Sinn des hohen Besuches zu. Statt eines Warenkatalogs überreicht Georgadge dem Präsidenten einen Brief Nikita Chruschtschows.

In weißem „Slack“ empfängt Janio die Botschaft. Die Leibgarde ist unter Gewehr. Mit großen Schritten, zu rasch, weil ungewohnt, schreitet Georgadge die Front ab. Die Musikkapelle bringt Rhythmus und Begeisterung in die Brust. Janio selbst ist der Regisseur, ein früherer Gymnasialprofessor versteht sich darauf, bei den Schülern Eindruck zu machen. Er war es, der den Einfall hatte, auch die Sowjethymne spielen zu lassen. Brasilien nähert sich einem neuen Meilenstein, der Wiederanknüpfung der diplomatischen Beziehungen mit „jener Macht der Erde, welche der Menschheit den ersten Kosmosfahrer geschenkt hat, der Sowjetunion“. Die Musikkapelle spielt die Hymne vorsichtig, tastend. Janios Befehl kam am Tage zuvor, sie übten ,eine volle Nacht. Noch nie war eine Delegation außer jedem Protokoll mit solchem Pomp empfangen worden.

Die Brasilianer im ganzen Land kommen in dieser Nacht erst spät ins Bett. Jubel und Niedergeschlagenheit, Empörung und diebische Freude erschüttern das Volk. Janio liebt das Paradox. Eben hat er von den Amerikanern einen Scheck über 1,5 Milliarden Dollar in die Tasche gesteckt, schon läßt er die Sowjetfahne flattern.

Zum erstenmal gestattete der Präsident den akkreditierten Journalisten den Zutritt in sein Kabinett. Keine Episode sollte der Weltöffentlichkeit entgehen. Wir berichteten dann auch getreulich: Janio öffnete ein Kistchen Zigarren. Während er sie an die Russen lächelnd verteilt, schließlich auch an uns, sagt er: „Wer sie geschickt hat, ist ein guter Freund aus Kuba — Fidel Castro.“ Hierauf taten die Weisen aus dem Sowjetlande ihre Schätze auf und brachten Geschenke dar, eine kostbare Uhr in Form eines Sputniks, einen Karabiner für Scharfschützen, doppelläufig — man kann nie wissen. Dona Eloä, Janios Gattin, erhält Parfüms und ein kaukasisches Teeservice in Gold und Silber, das Enkelkind eine Puppe.

Die sowjetische „Good-will-Tour“

Iji'e'Dere'gierten hatten es 'eilig; Ihr Dijsehflügzeüg „Iljuschin l'SfJ'!,fsie anderntags nach dem südlichsten Staate, Rio Grande, und auf dem Rückflug nach dem Industriezentrum Sao Paulo. Von Rio setzten sie ihre „Reise des guten Willens“ nach Ekuador fort. Die Glücksstunde sollte sich überall wiederholen. Janio sandte die sowjetische Nationalhymne mit einer Blechmusikkapelle voraus. Mit dem letzten Händedruck des brasilianischen Präsidenten hatte der Sekretär des Hohen Sowjets die Gewißheit mitgenommen, daß der Weg endlich wieder frei war für die Wiederanknüpfung der diplomatischen Beziehungen.

Mit einer solchen Wirtschaftspolitik macht sich selbstverständlich Janio Quadros in der freien Welt verdächtig, indes die Fidelisten (früher Kommunisten genannt) ihn laut preisen. Zu laut für Janios Ohren. Auf dem Bildschirm in Sao Paulo erscheint er und erklärt: „Wir beginnen endlich unserer eigenen Kraft bewußt zu werden. Wir sind daran, eine humane, demokratische und eine tief (profundamente) christliche Zivilisation aufzubauen.“ Trotzdem, obwohl dieses Bekenntnis aufrichtig ist, kann es ihn nicht davon freisprechen, daß er mit seinem Drang nach Osten jenen Vorschub leistet, die sich der Wirtschaft als Machtinstrument erster Ordnung bedienen. Die Lateinamerikaner sind in dieser Hinsicht ahnungslos. Sie übersehen, daß von einer Entwicklungshilfe der Kommunisten, von den propagandistisch groß aufgezogenen Versprechen abgesehen, hier nichts zu bemerken ist. Kuba ist ein Sonderfall. Als neuester politischer Brückenkopf, der erste auf dem amerikanischen Kontinent, wird er zu einem wirtschaftlichen Schwerpunkt ausgebaut, genau wie die Brückenköpfe in Indien und in Afrika die VAR — Musterbeispiele und Ersatz für die ausbleibende Entwicklungshilfe.

Es wäre verhängnisvoll, wenn das Ausland das Brasilien Janios mit Kuba verwechselte. Seine Exzellenz, der Kaffee, verdient bei all seiner Tradition eine solche Verkennung nicht. Zumal der Präsident für seine Wirtschaftspolitik im „kapitalistischen“ Europa herrliche Vorbilder gefunden hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung