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Religiöse Dichtung des Mittelalters

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RELIGIÖSE DEUTSCHE DICHTUNG DES MITTELALTERS. Herausgegeben und erläutert von Hans Joachim Gernentz. Union-Verlag, Berlin. 458 Seiten, 16 farbige Bildtafeln.

Weit ist der Bogen gespannt: von 750 bis 1500 n. Chr., vom Wessobrunner Gebet, Muspilli und Heliand bis Freidanks Bescheidenheit und Johannes von Saaz' „Ackermann aus Böhmen“. In echtem Pfingstgeist spricht es viele Sprachen: Alt-, Mittel- und Frühneuihoohdeutsch, Altsächsisch und Mittelniederdeutsch und natürlich Lateinisch, jeweils von modernen neuhochdeutschen Übertragungen begleitet. 16 Tafeln mittelalterlicher Buchmalerei sprühen Farbe und Geist. Umfangreiche Erläuterungen zu Text und Bildern sowie ein tiefdringenides Nachwort, das sdch auch dem heiklen zeitweiligen Gegensatz von Kirche und Glauben stellt, beschließen die schöne, reiche Anthologie, die seltsamerweise aus der östlichen Reichshälfte kommt.

DIE PERSON DES WIENER BÜRGERMEISTERS der „Gründerzeit“, Cajetan Felder, war uns bisher hauptsächlich im Lichte von Darstellungen der frühen christlich-sozialen Bewegung geläufig. Es lag nahe, daß in dieser „Kampfzeit“ das ruhige abwägende Urteil gegenüber der parteipolitischen Polemik zu kurz kam. Galt doch der Mann auf dem Bürgermeisterstuhl der Stadt Wien für Lueger und seine Gefährten als Inkarnation jenes verhaßten „Rathausliberalismus“ großbürgerlicher Prägung, gegen den sie Sturm liefen. Eine Revision dieses Felder-Bildes war hundert Jahre später fällig. Noch besser war es aber, Felder endlich selbst zu Wort kommen zu lassen. Seit langem war den Historikern bekannt, daß im Archiv der Stadt Wien umfangreiche Aufzeichnungen lagerten, die der resignierte Bürgermeister im hohen Alter, als er zeitweilig von der Gefahr der Erblindung bedroht war, einer Stenographin ins Blatt diktiert hatte. Dr. Felix Czeike hat sich in dankenswerter Weise und mit äußerster Gewissenhaftigkeit der Aufgabe unterzogen, das Faszikel der Felder-Memoiren durchzuarbeiten und eine Auswahl für eine Publikation zu treffen. Das Ergebnis (Cajetan Felder: Erinnerungen eines Wiener Bürgermeisters, Forum-Verlag, 400 Seiten) ist nicht nur für die Fachwelt von Interesse. Ein Kapitel Wiener Geschichte, von dem heute nur noch Grabschriften künden, erwacht zum Leben. Bürgermeister Felder, der von 1868 bis 1878 der Wiener Gemeinde vorstand, tritt uns als ein Politiker entgegen, der sich aus bescheidenen Verhältnissen hart emporgearbeitet hat. Ein Mann voll Temperament, besser im Hiebe-Austeilen als im „Nehmen“; selbstherrlich gewiß, gegenüber jeder Kritik hochempfindlich, aber ohne Zweifel eine imposante Persönlichkeit. Man kann sich vorstellen, daß bei der Begegnung zwischen ihm und dem jungen Lueger die Funken stoben. Felders Tragik war, daß er die damals noch ziemlich unartikulierte Opposition nur als persönliche Beleidigung empfand, während sich doch in Wirklichkeit breite Schichten der Bevölkerung zu ihrem Eintritt in die Geschichte rüsteten. Dr. Kurt Skalnik

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