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Rückblick auf die zwanziger Jahre

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DAS ALLES GAB ES EINMAL. Von Max Krell. Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt m Main, 1961. 362 Seiten, 48 Bildtafeln. Preis 19.80 DM.

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DAS ALLES GAB ES EINMAL. Von Max Krell. Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt m Main, 1961. 362 Seiten, 48 Bildtafeln. Preis 19.80 DM.

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Max Krell (geb. 1887), Verfasser von Romanen und Erzählungen, war Dramaturg am Theater von Weimar, Redakteur in München und Lektor im Ullstein-Buchverlag in Berlin. In diesen Zentren des kulturellen Lebens hat er viel gesehen und erlebt, was der Aufzeichnung würdig ist. So beschwört er in seinem Erinnerungs- buch die berühmten „zwanziger Jahre" unseres Jahrhunderts, mit denen nach Beendigung des ersten Weltkrieges eine besondere geistige Entwicklung einsetzt.

Diese Zeit, von vielen Fiebern geschüttelt, von wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krisen heimgesucht, stand im Zeichen von Unsicherheit, Lebensgier und moralischer Zerrüttung. Die dunklen Kräfte, die Europa später in eine neue Katastrophe führen sollten, waren bereits am Werk. Doch steht fest, daß diese Zeitspanne geistig und künstlerisch ungemein fruchtbar war und eine Fülle bedeutender kultureller Leistungen hervorgebracht hat. vor allem im Bereich der Literatur und des Theaterwesens. Wohl scheint sie uns bereits in eine weite Ferne gerückt: ihre großen Persönlichkeiten sind fast alle schon tot, aber die Vergangenheit wirkt auch heute noch nach, und zwischen den zwanziger Jahren und unserer Gegenwart gibt es so manche Parallelen.

Krell charakterisiert sein Buch einleitend mit den Worten: „Ein Chronist versuchte, den Atem einer Zeit einzufangen, die wenig mehr als ein Menschenalter und gleichwohl mehr als tausend Jahre zurückliegt. Er begegnete vielen Geistern dieser Zeit. Aber Literaturgeschichte oder Zeitkritik wollte er nicht schreiben: nur festhalten, wie sie gelebt, gewünscht, sich gegeben und in dem einen oder anderen Fall gehandelt haben." Damit hat er sein Vorhaben vorsichtig abgegrenzt, und man darf nicht mehr erwarten, als er geben wollte. Ein umfassendes Gemälde der Zeit ist also nicht entstanden, aber die vielen Einzelepisoden, Begegnungen und Charakteristiken sind doch interessante Streiflichter, und oft wird in einer kleinen Anekdote die besondere geistige Atmosphäre von damals spürbar. Das literarische Leben steht natürlich im Mittelpunkt, und mit ihm die Schilderung von Autoren, aber auch Maler, Schauspieler, Regisseure, Journalisten. Politiker und Abenteurer erscheinen in dem langen Zug der Gestalten. Das Reizvolle dieser Erinnerungen liegt darin, daß sie uns nicht nur von den auch heute noch Berühmten berichten — etwa von Broch, Bruno Frank, Gorkij, Thomas und Heinrich Mann, Malaparte, Pirandello, Rilke, Schnitzler, Steinbeck, Strindberg, Wedekind, Werfel, Zuckmayer und Stefan Zweig —, sondern auch die bereits halb oder ganz Vergessenen berücksichtigen. Wer kennt noch zum Beispiel die Erzählerin Alice Berend, den interessanten polnischen Dichter aus dem Kreis um Strindberg Stanislaw Przyby- szewski, den subtilen Novellisten und Dramatiker Ossip Dymow, den originellen Prosaisten Franz Hessel, den Autor phantastischer Erzählungen Oskar Panizza, der einst in Bayern die Gemüter erhitzte. Me Dichter Kurt Martens und Ernst Weiß? Wenn sie auch nicht zur repräsentativen „Literatur" gehören, durften doch die beiden Ullstein-Erfolgsautoren, Ludwig Wolff und Vicki Baum, nicht fehlen-. Die gelben Ullstein-Romane, von Unzähligen einst verschlungen, gehören ja zum Bild der zwanziger Jahre. Dem Rückschauenden erscheint die Republik von Weimar nicht nur 1 ein „Schlachtfeld entfesselter Dämonen“ ;• er iekt auch die „poMtivėijt Sei , ten: ,Es lag :e jn „großer. (iląpz iibgr, diesen Jahren der Not, der für vieles entschädigt , was in den Geheimkammern der Politik ausgeheckt wurde.“

Krell hält seine Person in sympathischer Weise im Hintergrund — in angenehmem Gegensatz zu vielen anderen Verfassern von Erinnerungen. Er führt schließlich die Erzählung seiner Erlebnisse in großen Zügen über die eigentlichen zwanziger Jahre hinaus in die Kriegs- und Nachkriegszeit, die ihm noch eine Reihe interessanter Begegnungen bescherte. Er versteht es sehr gut, plastisch und amüsant zu schildern, man hört ihm gerne zu und hofft, daß sein fesselndes Erinnerungsbuch die Leser veranlassen möge, sich mit einigen der porträtierten Autoren näher zu beschäftigen. Erwähnt sei noch, daß die mit viel Verständnis ausgewählten Photos der Bildtafeln den Text reizvoll ergänzen.

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