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Schwedische Epigonen

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In dem schwedischen Film „Sie tanzte nur einen Sommer..." tritt uns aus einem reichen Lande, dem sich das arme Österreich mannigfach zu Dank verpflichtet fühlt, nicht zuletzt für klassische Vorbilder der Stummfilmzeit, ein filmischer Amoralismus entgegen, der betroffen macht. Alle Bemühungen, Vergangenheit und Gegenwart des Landes zur Erklärung heranzuziehen, versagen. Denn die nicht ganz neue „Moral“ des Films ist ungefähr die: Laßt die Bäumchen, laßt die Jungen und Mädchen, so wie sie „der große Zufall Natur“ geschaffen hat, werden, wachsen und sich paaren, gesund, muskelstark, ohne drückendes moralisches Gepäck, leicht bekleidet, am besten ohne was herum: sie werden’s schon treffen; vor allem aber patzt nicht drein, ihr Moralisten von gestern, wettert nicht, predigt nicht; schon reifen die Früchte unserer jahrzehntealten achristlich- sozialistischen Staatsform; stemmt euch nicht dagegen, ihr Pastoren und Betschwestern, Ihr Finsterlinge, ihr aussterbenden Christen, ihr — Europäer...!

Das alles wird natürlich nicht wörtlich so gesagt, aber es ist deutlich genug zwischen den Zeilen zu lesen, und zwar durchgehend, in jedem Satz und jedem Bild und. jeder Gestalt, am peinlichsten in der Person des Pastors, der sein Unverständnis für die Jugend noch über dem Grab eines seiner Opfet hinausschreit wohl eine der einseitigsten, ungerechtesten und bösartigsten

Verzeichnungen, die das Christentum jemals in einem Film erfahren hat Hier schlägt die vorgegebene programmatische Liberalität in den denkbar unduldsamsten Anspruch auf einen neuen totalitären weltlichen Kanon um, und es erhebt sich die Frage, ob in einem Lande wie Österreich, das seine eigenenen ernsten Sorgen um die Überfremdung und Substanzentleerung des Dorfes hat, das zentrale Volksbildungshaus seiner Hauptstadt die geeignete Plattform für die Verbreitung solcher Gedanken ist, die die letzten Stützen ländlicher Kraft und Sitte einzureißen drohen. Der Film, dem loyalerweise das Zeugnis einer beachtenswerten filmkünstlerischen Leistung ausgestellt sei, mag sich dabei auf internationale Auszeichnungen berufen. Wir sind über solche säkularisierte Zensurstellen und Zensoren hinreichend informiert, um ihr formalästhetisches Urteil nicht auch als bindende Richtschnur in einer die Existenzfragen des Lebens und der Welt-Anschauung einschließenden gesamtkulturellen Bewertung hinzunehmen.

Was haben wir dem im Film unseres eige- Landes entgegenzusetzen? „Ich hab mich so an dich gewöhnt", ein routiniertes Wiener musikalisches Lustspiel, inszeniert einen Frauentausch — ganze 14 Tage nach der Hochzeit! über Trauung und Scheidung, matri- monium iunctum und consummatum wird geredet wie über Essen, Trinken und — Kinogehen ... Und das tanzt nun schon nicht bloß einen Sommer, sondern sieben Nachkriegsjahre lang. Ach, diese bösen Schweden ...!

Die Ehre der Woche rettet irgendwie der amerikanische Dickens-Film „Flucht aus Pari s", trotz seines vermutlich respekt- heischenden Alters, das sich unter anderem in einer Story von vergilbter Sentimentalität verrät, noch heute sehenswert durch die monumentalen Bilder aus der Französischen Revolution und die großartige Charakterdarstellung eines verlorenen Menschen durch Ronald Colman.

Zwei kurze italienische Farbfilme zeigten die sozialen Einrichtungen in den

Fabriken und auf den Besitzungen des italienischen „Textalkönigs Marzzotto für seine Arbeiter und Angestellten. Beide Filme sind technisch wie inhaltlich sehr gelungen. Könnten sie nicht aus der Sondervorstellung ins Nonnalprogramm übersiedeln?

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich, Nr. 47/11 vom 19. November 1952): II (für alle zulässig): „Der laufende Berg“Į III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Das Herz muß schweigen", „Bruder Barnabas"; IV (für Erwachsene): „Quartett“, „Die Hölle der roten Berge“, „Die Plünderer von Nevada“, „Die Flucht aus Paris"; IVa (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Ich hab mich so an dich gewöhnt".

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