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Sonnige Herbsttage in Tirol

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Einen guten Klang hat der Name „Tirol”. Wenn man von Tirol spricht, wenn man an Tirol denkt, dann taucht im Gedächtnis immer ein ganzer Komplex von Vorstellungen auf: Andreas Hofer — Innsbruck, die Landeshauptstadt mit ihrem Reichtum an Denkmälern aus der Geschichte des Landes — Berg Isel, der Schlachtenberg von 1809 — Trachten, Jodler und Schuhplattlertänze — frohes, urwüchsiges Volksleben. Dann: fruchtbare Alpentäler mit ihren schmucken Dörfchen, aus deren Mitte die typischen hohen, spitzen Kirchtürme zum Himmel ragen; die Wiesen und Wälder, einsame Wegkreuze, Marterln mit sinnvollen, oft humorvollen Sprüchen und Inschriften. Und nicht zu vergessen: der große, erhabene Zauber der Hochgebirgswelt. Jene ungeahnten Variationen der Natur mit ihren Kontrasten. Von der reizendsten Almidylle im strahlenden, friedlichen Sonnenschein bis zu dem fast unheimlichen Toben des Wettergottes in der einsamen Eis- und Felsenwildnis.

Jeder, auch der Einheimische, unterliegt diesem Zauber der Bergwelt, natürlich noch viel mehr der Fremde aus der Ebene oder aus dem Hügelland. Es ist ein Erleben, ein Schauen, ein großes Vergessen des Alltags. Die Berge bedeuten aber nicht bloß seelisches, sondern auch körperliches Erleben: nämlich Gesundung und Erholung. Gesundtrinken an dem Urquell der Natur, um zu neuem, frischem Leben zu erwachen.

Kurz: das ist Tirol, wenn man von diesem Land überhaupt ein so kurzes Stimmungsbild geben kann. Dieser Sammelbegriff, dieses auf eine „kurze Formel” gebrachte Stimmungsbild tragen alle im Herzen: die, die es kennen, und die, die es noch nicht kennen.

Jeder, der das Land besucht, findet in fast unerschöpflicher Fülle, was seinem Geschmack entsprechen kann.

Zu allen Jahreszeiten schüttet Tirol das Füllhorn seiner Gaben aus; am reichsten vielleicht im Herbst. Leuchtende Farbenpracht gibt er Berg und Tal und von den Höhen einen Fernblick von seltener Klarheit. Und wer den großen Fremdenstrom meiden will, Die Schlacht am Berg’feel,-zu der Tirols Oberkommandant Andreas Hofer am Morgen des 13. August 1809 den Angriffsbefehl gegeben hatte, ist am Abend siegreich entschieden. Der geschlagene Feind unter Marschall Lefevre, Herzog von Danzig, sieht sein Heil in einem raschen Abzug durch das Unterinntal gegen Bayern. Starker Regen, der am 14. August niedergeht, erleichtert sein Vorhaben. Als Dienstag, der 15. August, der in Tirol so gefeierte „Hohe Frauentag” anbricht, ziehen die Massen der Tiroler Landesverteidiger von allen Seiten in Innsbruck ein. Schützen beginnen in die Hofburg, wo der Marschall residiert hatte, einzudringen und dort Durchsuchungen vorzunehmen. Der pflichteifrige Burgverwalter Gottfried Pusch eilt in die Vorstadt in das Haus des Herrn von Stadler, wo Andreas Hofer abgestiegen war, um bei diesem Beschwerde zu führen, Alsogleich begibt sich Andreas Hofer gemeinsam mit Pusch in die Burg.

In seiner bekannten Stadtchronik hat Gottfried Pusch diese Ereignisse sachlich und schlicht überliefert. Sein noch unveröffentlichter Bericht möge nun den Lesern den Ablauf des „Hohen Frauentages” 1809 in Innsbruck schildern, eines „Hohen Frauentages”, der in die Geschichte des Landes einging, obwohl an ihm die Sturmglocken zur Verfolgung des Feindes aufriefen, statt daß friedliches Geläute fromme Beter zur Feier des Festes Mariä Himmelfahrt geladen hätte. Pusch schreibt:

„Es wird gegen drei Uhr morgens gewesen sein, als heute am hochheiligen Maria-Himmelfahrts-Feste die Bauern von ihren Bergen herab und in die Hauptstadt kamen, die sie von Baiern daher schon geleert fanden. Einzelne Posten, so die Baiern um den Rückzug zu verbergen zurückgelassen hatten, fielen den Bauern in die Hände, so zum Beispiel inner dem Portal des Stifts Wilten, wo in einem Ecke noch; einige bairische Soldaten sich befanden, welche die vom Berg Isel herabkommenden Bauern entdeckten.

Nach fünf Uhr früh war schon die ganze Stadt voll von Tirolern, unter denen sich auch die-früher erwähnten zurückgebliebenen k. k österreichischen Soldaten befanden. Unordnungen und der reist am besten dann, wenn der große Verkehr im Abflauen begriffen ist. Da kann er dann den Traum seiner Alpensymphonie zum wahren Erlebnis gestalten: im schweigenden, rauschenden Forst, hoch droben auf den Almen und in der einsamen Felsenwildnis der Berge.

So hoch wie in Tirol reicht nirgends die Besiedlung hinauf. Höch oben noch stehen die alten Kirchen und wetterbraunen Holzhäuser zum Zeichen, daß auch dei Hauch von den nahen Gletschern das Streben des Menschen zum Schaffen, zum Säen und Ernten nicht hat ertöten können. Stundenweite Eisströme, aus Hängegletschern zusammengeflossen, ziehen in langsamem Fall zur Tiefe, von den dunkleren Streifen ihrer Moränen geleitet. Scharfe Grate, weite Doma, ganz von Eis gepanzert, inmitten breiter Gletscherbecken im Naturpark der Gipfel und Firne, auf denen die Morgensonne oder die Abendröte feierliche Spiele aufführt.

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