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Sterbende Gärten

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Auflockerung der Großstadt durch Grünanlagen ist ein Zeitgebot. Um so unverständlicher ist es, daß in Wien immer wieder alte Parks, die man, gleichgültig, oh sie im öffentlichen oder privaten Besitz sind, als wahre Schätze schonen sollte, immer wieder verbaut.

Noch ist die Erregung über die Verbauung des Modena-Parkes nicht verebbt, da sind gleich wieder drei alte Parks zum Sterben verurteilt, weil dort Gemeindebauten errichtet werden. Die letzten Reste des Schaumburgergrundes, in dem an Gartenanlagen ohnedies armen Teil des vierten Bezirkes nächst dem Südtiroler Platz, die ehemaligen Rothschen Gründe in der Auhof- straße in Hietzing und schließlich die Bergersehen Gründe in Rodaun. Auf der Wieden fielen neben uralten Bäumen die Reste eines reizenden Barockschlössels. In Hietzing wurde ein solid gebautes Haus demoliert und dort ebenso wie in Rodaun das Luftreservoir erheblich verkleinert, und das Ortsbild — wie dies kürzlich in Grinzing und Dornbach geschah — durch gleichförmige, unschöne Baublocks zerstört.

Man versteht die Tendenz des Rathauses nicht. Einerseits in der Theorie Stadtplanung mit Wald- und Wiesengürtel, Parkschutzgebieten, Tagen des Baumes usw., in der Praxis ohne zwingende Notwendigkeit rücksichtslose Zer. Störung alter Grünflächen, als ob es keine Baulücken und Oedflächen mehr in Wien gäbe.

Arbeiten im Wiener Rathaus die grünen Tische, hie Planungsbehörde, hie Stadtbauamt unbewußt gegeneinander? Oder arbeiten, wie die bösen Zungen behaupten, dabei wirklich die roten Strategentische?

Ist es Mitternacht ?

Eine Zeitung des Elsaß’ in französischer Sprache hat Frankreich bezichtigt, es sei schuld daran, wenn das Ausland noch immer Doktor Schweitzer als Deutschen ansehe. Habe man doch einer Pariser Chansonette und einem Boxer zur gleichen Zeit (etwa als es um den Nobel-Friedenspreis ging?) mehr Druckerschwärze geschenkt als dem Urwalddoktor von Lambarene, der, nebenbei erwähnt, bereits 1928 den Frankfurter Goethe- Preis erhalten hat. Die Zusammenstellung des elsässischen Blattes ist gewiß lehrreich; aber es macht sich zu einer Zeit, da alle Kräfte Europas, vornehmlich der beiden Nachbarn am Rhein, danach streben, die Gegensätze auszugleichen, denn doch etwas schief, wenn eine humanitäre Größe wie Schweitzer, der schon in seiner Jugend für Zusammenarbeit eintrat, in den Streit der Tagespolemik gestoßen wird, nur damit — warum jetzt? — bewiesen werde, Schweitzer sei Franzose. Abgesehen davon, daß sich das Gegenstück zum östlichen Kopernikus-Spiel am Rhein nicht vorteilhaft abhebt, darf doch daran erinnert werden (ohne in denselben Fehler wie das erwähnte Blatt zu verfallen), daß der deutsche Pfarrerssohn aus Kaysersberg, väterlicherseits aus einer alten Schulmeister- und Organistenreihe, mütterlicherseits (die Mutter war eine Schillinger und kam aus dem deutschen Pfarrhof von Mühlbach im Münster- tal) gleichfalls deutscher Herkunft, deswegen wohl im Jahre 1917 als Deutscher in ein französisches Anhaltelager gesteckt wurde. „Es ist Mitternacht, Doktor Schweitzer …' aber dieser Mann ließ sich nicht unterkn'e- gen, er stand auch einen zweiten Krieg durch, ohne seinen umfassenden, zusatnmen- fassenden Blick zu verlieren. 1930 gab es schon acht Publikationen über Schweitzer. Fünf davon waren deutsch, je eine englisch, dänisch und holländisch. Vor mehr als zwanzig Jahren! Es liegt nur an den Heutigen, neue Sprachen hinzuzufügen, getreu den Worten Schweitzers, der einmal schrieb: „Mensch gehört zu Mensch ..

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