Tasten für die Zukunft

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Musikvereinsintendant Thomas Angyan über Subventionen, die Förderung von Kindern und Jugendlichen, Quantität und Qualität sowie die neue Orgel für den „Goldenen Saal“. Das Gespräch führte Walter Dobner • Foto: Mirjam Reither

Musik ist das größte Atout, das Österreich zu bieten hat. Das sollten sich auch die Verantwortlichen vor Augen halten, die immer wieder ihre Förderungen kürzen“, lautet die kulturpolitische Botschaft von Musikvereinsintendant Thomas Angyan im FURCHE-Interview.

Die Furche: Herr Intendant, in Krisenzeiten, sagt man, sei der Hunger nach Kultur noch größer. Spürt man im Musikverein die gegenwärtige Wirtschaftskrise?

Thomas Angyan: Der Hunger nach Kultur ist jedenfalls nicht kleiner geworden. Der Abonnementverkauf ist analog dem letzten Jahr, es hat nur minimale Verschiebungen innerhalb der Preiskategorien gegeben. Im September, von dem es heißt, dass er ein schlechter Monat für die Kunst ist, waren sowohl die Konzerte mit dem Chicago Symphony Orchestra als auch mit dem Gustav Mahler Jugendorchester ausverkauft.

Die Furche: Kunst ist gegenwärtig ohne Subventionen nicht denkbar. Was bedeutet das für die Gesellschaft der Musikfreunde?

Angyan: Derzeit sind wir noch nicht so weit, dass wir unser Haus ohne öffentliche Förderung führen könnten. Bei einer anderen steuerlichen Situation könnte man eher darüber nachdenken. Ich bin optimistisch, denn die Subvention von Bund und Stadt Wien liegt unter fünf Prozent unseres Budgets. Wir müssen daher über 95 Prozent verdienen, sei es durch Kartenverkauf, durch Vermietung an andere Veranstalter, durch Mäzene und Sponsoren. Diese fünf Prozent sind derzeit noch nicht zu ersetzen.

Die Furche: Kulttempel, Museum, kulturelles Aushängeschild, ein Fenster für die Jugend: Wo sehen Sie heute den Musikverein?

Angyan: Der Musikverein ist sicher das internationale Aushängeschild im Konzertbereich. Damit das so bleibt, muss man an die Zukunft denken, daher Aktivitäten für die Jugend in besonderem Maße fördern. Wir haben in der kommenden Saison 150 Veranstaltungen ausschließlich für Kinder und Jugendliche. 35.000 Kinder und Jugendliche erleben jährlich in unserem Haus Musik, und zwar nicht nur als passive Zuhörer, sondern in speziell für sie adaptierten Programmen. In den letzten zwanzig Jahren sind rund 212.000 Kinder bei etwa 800 Veranstaltungen durch den Musikverein gegangen. Ich glaube nicht, dass es in Wien einen Veranstalter gibt, der ein derartig intensives und auch angenommenes Programm anbietet wie wir. Wir brauchen das, um jungen Menschen kulturelle Perspektiven für morgen zu geben. Es kann nicht sein, dass unser Leben nur von materiellen Werten bestimmt wird.

Die Furche: Der „Goldene Saal“ ist unbestritten das größte Kapital des Wiener Musikvereins. Trotzdem haben Sie sich entschlossen, durch den Ausbau des Kellers dem Haus weitere Säle zu erschließen. Warum?

Angyan: Begonnen hat es, weil wir einen Probenraum brauchten. Durch die Zusage einer großen mäzenatischen Leistung ergab sich die Möglichkeit, vier neue Säle zu bauen, den größten davon nicht nur als Probensaal, sondern als Konzertsaal auszugestalten und damit das didaktische Programm sowohl für junge Leute als auch generell zu erweitern in den Bereichen Nachwuchs, zeitgenössisch und Wort & Musik. Mittlerweile sind wir auch im Bereich Wort & Musik zur führenden Institution geworden. So werden in dieser Saison mehrmals Karl Markovic und Michael Köhlmeier kommen. Ebenso Petra Morzé, Peter Turrini und Mijou Kovacs. Ein solches Programm hätte man im Brahmssaal nie machen können, weil dort aufgrund der länglichen Gestaltung das Wort hinten nie so gut ankommt und auch der direkte Kontakt mit den Schauspielern nicht gegeben ist.

Die Furche: Keine Stadt verfügt über ein so dichtes Netz an musikalischen Institutionen wie Wien. Gibt es Kontakt zwischen den einzelnen Häusern, werden Programme abgesprochen?

Angyan: Absprachen kann es nur in geringem Ausmaß geben. Wir haben uns immer abgesprochen bei den großen Oratorien und bei großen Projekten wie Gustav Mahlers achter Symphonie oder Arnold Schönbergs „Gurreliedern“. Natürlich kann es vorkommen, dass beispielsweise dieselbe Bruckner-Symphonie im Konzerthaus und im Musikverein gleichzeitig aufgeführt wird. Das ist bei 730 Konzerten in 300 Tagen, wie wir es letztes Jahr im Musikverein hatten, nicht zu vermeiden. Auch diese Saison werden wir nicht weniger Konzerte veranstalten.

Die Furche: Wo läge der Musikverein bei einem Ranking der größten Wiener Musikveranstalter?

Angyan: Größe lässt sich nach Qualität und nach Quantität messen. Zählt man die Auftritte der Wiener Philharmoniker, der Wiener Symphoniker und der ausländischen Gastorchester zusammen, sind wir sicher der Konzertveranstalter, der objektiv messbar die meisten Orchesterkonzerte in dieser Stadt veranstaltet. Die Quantität ist nicht für alles ausschlaggebend, aber auch da liegen wir vorne. Ich messe diesem Wettbewerb aber nicht viel Bedeutung zu. Wichtig ist dass die Gesellschaft der Musikfreunde und der Musikverein das Aushängeschild im Konzertwesen sind, das sie immer waren.

Die Furche: Zu den Spezialitäten Ihrer Programmplanung zählt, dass es immer wieder gelingt, bedeutende Interpreten nicht nur für einen Auftritt zu engagieren, sondern gleich für Residenzen …

Angyan: Einem Orchester tut es unglaublich gut, wenn es für mehrere Konzerte in einer Stadt ist. Erstens weil es sich an den Saal, die Atmosphäre, den Klang gewöhnen kann, zweitens weil das ewige Reisen plus Konzerte am selben Tag für ein Orchester ungeheuer stressig ist. Und ideal ist es, wenn Residenzen auch noch einen klugen Inhalt haben, wie etwa der Mahler-Zyklus der Staatskapelle Berlin unter Barenboim und Boulez. Mit Barenboim planen wir für das 200-Jahr-Jubiläum der Gesellschaft der Musikfreunde 2012 einen Bruckner-Zyklus.

Die Furche: Apropos Jubiläum: Spätestens dazu soll auch die neue Orgel im großen Musikvereinssaal fertig sein …

Angyan: Die Orgel wird bereits im Sommer 2010 eingebaut. Das Projekt einer neuen Orgel begann in den späten 90er Jahren. Seit 1878 gab es drei Orgeln im Musikverein, die dritte ist 1968 von meinem Vorvorgänger Rudolf Gamsjäger eingebaut worden – unter starkem Einfluss von Karl Richter, mit dem Ziel, die größte Konzertorgel der Welt zu haben. Mir geht es auch hier nicht um Quantität: Ich will nicht die größte, sondern die beste Konzertorgel der Welt. Daher wird diese Orgel weniger Register haben als die bisherige, nämlich 84 statt 100. Schon in den 90er Jahren hat es eine Ausschreibung gegeben, aus der ein klarer Sieger hervorgegangen ist. Wir wollten die Orgel mit Hilfe von Stadt Wien und Bund, die jeweils ein Drittel beisteuern sollten, bauen. Insgesamt wären das 15 Millionen Schilling gewesen. Wien hat die fünf Millionen zugesichert, wenn auch der Bund zusagt. Der Bund aber hat dafür keinen Grund gesehen – mit dem Argument, dass genügend Kirchenorgeln restauriert werden müssten. Wir wollten daher die Orgel nach dem Abschluss des Baus der neuen Säle aus Eigenem schaffen. Jetzt kostet die Orgel 1,8 Millionen Euro. Seit Sommer haben wir im Unternehmer Peter Pühringer einen Mäzen gefunden, der uns zwei Drittel dieses Betrages spenden wird. So haben wir noch 600.000 Euro aufzubringen, was uns bis zur Einweihung der neuen Orgel am 26. März 2011 hoffentlich gelingen wird.

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