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Tradition und Aufbau

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Die heurige Konzertsaison wurde durch ein Kammerkonzert eröffnet, für welches der renovierte Brahms-Saal im Musikvereinsgebäude den festlichen Rahmen bot. Als sich zwischen 1860 und 1870 Hochadel, Bürgertum und Kaufmannschaft zusammentaten, um einen dem Wiener Musikleben entsprechenden Bau zu errichten, blieb in dem von Theophil Hansen gestalteten Musikverein der Brahms-Saal unvollendet. Nach den vorliegenden Plänen und mit einfühlsamer Anpassung an den Gesamtstil hat ein zeitgenössischer Architekt, dessen Leistung hervorgehoben zu werden verdient, das Werk Hansens vollendet. Hans Bolek hat damit auch ein Beispiel gegeben, in welchem Geist wir uns die Wiederherstellung der Innenräume der Staatsoper und des Burgtheaters am Ring wünschten. Im freundlichen Glanz von weiß und gold, mit den leuchtenden dezenten Farben der Decke, mit seinen schlanken Säulen, die nunmehr das Podium nicht rückwärts abgrenzen, sondern von einem zweiten Zuhörerraum trennen, mit den harn’ .schnitzten, echt vergoldeten Beleuchtungskörpern, deren Glasschalen aus der berühmten Fabrikation Murano—Venedig stammen und die prachtvolle Decke des Saales anleuchten, ist der Brahms-Saal zum schönsten Konztrtsaal Wiens geworden, und jede Metropole kann uns um dieses Schmuckkästchen beneiden. Er bildet jetzt nicht mehr nur den idealen akustischen Rahmen für hochwertige künstlerische Veranstaltungen, sondern stellt an sich eine Sehenswürdigkeit dar. Stadt und Staat konnten die hiefür notwendigen beträchtlichen Mittel nicht beistellen. , Da entschloß sich die Direktion der Gesellschaft der Musikfreunde, an die österreichische Industrie mit der Bitte heranzutreten, sich der Zahl der Gründer und Stifter anzuschließen und für die Kosten aufzukommen. Einundzwanzig Firmen folgten dem Appell, und ihnen sowie den Initiatoren konnte der Bundeskanzler, von Präsidenten Dr. Hryntschak begrüßt, den öffentlichen Dank abstatten: den Dank dafür, daß sie einen Beitrag dazu geliefert haben, Wien seinen Rang als Musikmetropole Europas wiedererobern zu helfen. Das Streichquartett Es-dur von Mozart, das f-moll-Quintett von Brahms und einige Lieder von Marx bildeten das Festprogramm (Irmgard Seefried und das Schneiderhan- Quartett mit Friedrich Wührer musizierten.)

„Daß die Menschen gerne Dinge hören, die sie schon kennen, ist eine alte Wahrheit. Sicher ist es nicht allein Bequemlichkeit, was sie dazu führt, sondern auch der Wunsch, einem Werk, das man liebt und dem man vertraut, sich wieder und wieder hinzugeben, sich immer wieder mit ihm aus- einanderzusetzen.“ Mit diesen Worten begründet Wilhelm Furtwängler, welcher das erste Abonnementskonzert der. Philharmoniker dirigierte, in seinen „Gesprächen über Musik“ die Vorliebe des Publikums für die großen Meisterwerke der klassisch-romantischen Epoche. Und mit dem gleichen Vertrauen folgen wir der Interpretation Furtwänglers, wenn er Beethoven, den ewig jungen „Klassiker", vor uns erstehen läßt. Schon durch die Tatsache allein, daß die Musikwerke der Vergangenheit immer wieder von Menschen unserer Zeit zu klingendem Leben erweckt werden, ist die Gefahr gebannt, daß sie jemals zu musealem Besitz degradiert würden. Wie lebendig, schön und neu erstrahlten Beethovens „Egmont“- Ouvertüre, die IV. und VI. Symphonie aber erst ih der Interpretation Unseres Meisterorchesters unter der Führung dieses Meisterdirigenten, der mit dem Werke Beethovens verbunden ist wie kaum ein anderer Musiker… Nun begeben sich die Philharmoniker mit Wilhelm Furtwängler und Josef Krips auf eine längere Konzertreise nach England. Sie werden dort unter anderem in der Albert-Hall sämtliche Beethoven - Symphonien spielen sowie ein Schubert- und ein Johann-Strauß-Konzert veranstalten. Und während hier bei uns die Konzertsaison in den beiden großen Häusern ihren Anfang nimmt, werden sie im Ausland zu den Ruhmesblättern österreichischer Musik ein neues fügen. Sie werden Zeugnis ablegen für Österreich: für unsere große Kunsttradition und für den Neuaufbau unseres Musiklebens.

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