Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Thema: Geisteskrankheiten
DER DRITTE TAG. Roman von Joseph Hay es. Aus dem Amerikanischen. S.-Fischer- Verlag GmbH., Frankfurt Maln, 368 Seiten. — JETZT UND FRÜHER. Roman von Domi- nlQue Boi In. Aua dem Französischen. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt Maln. 331 Selten.
DER DRITTE TAG. Roman von Joseph Hay es. Aus dem Amerikanischen. S.-Fischer- Verlag GmbH., Frankfurt Maln, 368 Seiten. — JETZT UND FRÜHER. Roman von Domi- nlQue Boi In. Aua dem Französischen. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt Maln. 331 Selten.
Joseph Hayes, gegen fünfzig Jahre alt, blickt als Romanschriftsteller auf recht ansehnliche Erfolge zurück. In seinem neuen Roman „Der dritte Tag“ befaßt er sich mit einem un- gemein fesselnden und ergiebigen Stoff. Der Hutfabrikant Charles Bancroft steht durchnäßt in einer Straße von New York und weiß nichts von sich. Er weiß nicht einmal seinen Namen. Erst allmählich gelangt er durch Leute, die ihn kennen, in die eigene Umwelt zurück. Aber er erkennt sie nicht, nicht die Gattin, nicht seinen kleinen Sohn Eugene und nicht die verschiedenen Mitglieder der Familie. Es wird ihm klar, daß er an Amnesie leidet, an völligem Schwund des Gedächtnisses. Wilder Wüllen gerät er in einen bösen Streit seiner Angehörigen. Man will die Aktien der Firma Persons-Qualitätshüte verkaufen und damit den durch seine Heirat auf ihn übergegangenen Betrieb zugrunde richten. Während er Stück um Stück des Vergessenen rekonstruiert, erfährt er, daß er einen Autounfall erlitten hat, daß dabei ein ihm nahegestandenes junges
Mädchen den Tod gefunden hat und daß durch dieses schreckliche Erlebnis der Schock entstanden ist, der die Ursache seiner Amnesie bildet. Der Anwalt, der Bancrofts Gattin liebt, ist zufrieden, ihn als Wahnsinnigen bezeichnen zu können. Bancrofts Schwiegervater, der alte Persons, liegt seit mehr als einem Jahr als lebender Leichnam da. Nun stellt sich jedoch heraus, daß der Greis bei Bewußtsein ist, aber an Apathie leidet, an völligem Unvermögen zu sprechen. Dennoch gelingt es, ihm ein Ja und Nein abzuringen. Durch sein mit einem Zeichen angedeutetes Nein zerstört er die Intrigen um den geplanten Verkauf der Familienaktien. Bancroft, der sozusagen als Fremder die Machenschaften durch
schaut hat, wird zuletzt, als von seiner Amnesie Befreiter zum Wissenden um vieles, das ihm vordem verborgen gewesen ist. Ein interessantes Buch, packend in seinem Aufbau und gut geschrieben.
Anders verhält es sich mit dem Roman von Dominique Rolin. Der nichtssagende Titel „Jetzt und früher“ soll gewissermaßen eine rechtzeitige Entschuldigung dafür sein, daß der Verfasser ständig Gegenwart und Vergangenheit durcheinandermengt. Dies geschieht mit dem unablässigen Wechsel auch des Schauplatzes in einem trostlosen Dickicht, das den Leser buchstäblich in die Rolle eines Halbnarren drängt. Das ganze, die wirre Lebensgeschichte einer jungen Frau, ergibt eindeutig ein Krankheitsbild der Schizophrenie, der Bewustseins- spaltung. Aber Rolin gebraucht kein einziges Mal diese Bezeichnung. Wir holen ein Stück nicht aus dem Zusammenhang heraus, da es ja hier keinen echten Zusammenhang gibt, wenn wir als Beispiel für Stil und Gedankenführung die folgende Stelle wiedergeben:
„Schatten, Lichter auf seiner sich vermindernden Gestalt, die dort, dort im Halboffenstehen des Wirklichen, des Magischen und des Wirklichen wahrgenommen wird; und ich unterdrücke ein Verlangen, ihn anzurufen, im Wissen, daß die Flugbahn meines Rufs ins Okkulte projiziert durch derartige Metamorphosen, ihn nicht im gewollten Moment erreichen wird und Gefahr läuft, die Atmosphäre innerhalb oder außerhalb seiner Präsenz zu erschüttern, vor oder nach der Minute der Aufmerksamkeit, die er mir wohl würde gewähren müssen."
In unserer Zeit, in der die Epik vor allem mit ihrem entscheidend bedeutsamen Schrifttum des Romans gegen Krimi, Stories, Sexy und Comics, gegen Funk und Fernsehen einen bitterschweren Kampf ausfechten muß, ist es nicht recht zu verstehen, weshalb sich ein führender deutscher Verlag der Übersetzung dieses Buches angenommen hat.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!