6583965-1951_34_08.jpg
Digital In Arbeit

VON NEUEN BÜCHERN

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt nur sehr wenige und spärliche Zeugnisse über die menschliche Person des Dichters Georg Trakl. Sein Wirkungs- und Bekann lenkreie zu- Lebzeiten war eng, übrigens auch wechselnd. Geselhgsein mit Freunden war seine Sache nicht. Er war ein Einzelgänger, wortkarg oder monologisierend, und der Geist des Bö6en, der zuweilen au6 seinen Augen funkelte, mag manchen sich Nähernden abgeschreckt haben. Die aber, die vielleicht am meisten über ihn hätten aussagen können, ihnen ist der Mund verschlossen, und die federgewandte Preisgabe von Erinnerungen ist ihnen versagt. — Als um so mächtiger hat sich die Strahlkraft von Trakls dichterischem Wort erwiesen. Die Faszination, die von seinem Werk ausgeht, erstreckt sich, gleichsam rückwirkend, auch auf die menschliche Person; ja nicht nur auf diese, sondern auf jede authentische Äußerung über den Dichter und sein Werk, auf jede Zeile, die sich auf den Lebenden bezog, auf jede — auch die peripher6te — menschliche Beziehung zu ihm. Mit welcher Teilnahme liest man zum Beispiel in den von Wolfgang Schneditz gesammelten Zeugnissen den Brief — übrigens' den einzigen dieser Art — eines unbekannten Mädchens mit dem freundlichen Namen Irene. Und man wünscht dem unglücklichen Einsamen mehr Zuspruch von dieser Seite. — Doch hat die Sammlung von Schneditz auch etwas Tröstliches: man 6ieht — soweit man es nicht schon wußte —, daß es dem Lebenden an Anerkennung, an Teilnahme, ja an Bewunderung nicht ganz gefehlt hat. Wir finden im ersten Teil des schmalen Bandes Briefe von Ludwig von Ficker, dem stets Hilfsbereiten, Erkennenden und Verehrenden, von

Erhard Buschbeck, dem treuen und eifrigen Freund, von K. B. Heinrich, ein paar Zeilen von Adolf Loos, Franz Werfel und der exaltierten Else La6ker-Schüler. — Dann folgen, ein wenig zufällig, bunt und unverbindlich, eine Reihe von Urteilen berühmter Zeitgenossen über da6 Werk von Trakl. Doch wiegen auch hier die Namen einiges auf: Kubin, Kokoschka, Kaßner, Lernet-Holenia, Felix Braun, Thomas Mann und andere. Sehr charakteristisch ist, was Rudolf Kaßner an den Herausgeber schreibt: „Mein Zusammensein mit Trakl hat nur eine halbe Stunde gedauert. Er war verlegen und guckte ins Weinglas, aus dem er mit Kokoschka zusammen trank, der auch verlegen war... Trakl sah unausgeschlafen aus, mit eingesunkener Hautfarbe, etwa wie ein unschuldiger, vitiöser Knabe. Ich muß ihm ungemütlich gewesen sein...“ Zurückdenkend, will es Kaßner scheinen, als habe er Züge von Schizophrenie an Trakl bemerkt. — Man sieht: dies war nicht die Sphäre, in der ausladende Kunst- und Freundschaftsge6präche gedeihen, die dann ihrerseits wieder den Stoff und die Farbe zu reichhaltigen Erinnerungen abgeben ...

Wenn uns nicht noch Zufälle zuhilfe kommen, wird es wohl bei den vorliegenden, von Wolfgang Schneditz gesammelten spärlichen, ausführlich kommentierten Zeugnissen bleiben, die — zusammen mit dem 1926 von Ludwig von Ficker im Brenner-Verlag herausgegebenen Erinnerungsbuch — zwar nicht ein Bild, aber immerhin einen Schattenriß von Trakls menschlicher Person ergeben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung