6582061-1951_23_07.jpg
Digital In Arbeit

Geliebte Verse

Werbung
Werbung
Werbung

Die schönsten deutschen Gedichte aus der ersten Jahrhunderthälfte. Limes-Verlag, Wiesbaden. 320 Seiten

Der Verleger Max Niedermayer hat einen interessanten Versuch gemacht, die Teilnahme der Öffentlichkeit an der Lyrik zu beleben, indem er eine Reihe von Künstlern, Schriftstellern und Literarhistorikern aufforderte, jene zehn deutschen Gedichte zu nennen, die sie als die schönsten der letzten fünfzig Jahre empfinden. Auf diese Weise ist eine gehaltvolle, vom Verlag sehr sorgfältig ausgestattete Anthologie zustande gekommen, deren Gewicht freilich mehr auf den Namen derer liegt, die die Gedichte auswählten. Es wurden zur Nennung der von ihnen am meisten geschätzten Gedichte aufgefordert: Gottfried Benn, Max Bense, Bernard von Brentano, Kasimir Ed-schmid, Günter Eich, Paul Fechter, Martin Heidegger, Hermann Hesse, Hans Egon Holthusen, Wilhelm Lehmann, Alexander Lernet-Holenia, Alfred Richard Meyer, Walter von Molo, Clemens Graf Podewils, Eik Reger, Pamela Regnier-Wedekind, Ina Seidel, Friedrich Sieburg, Renee Sintenis und Matthias Wiemann. Auf Grund dieser Aufzählung vermag sich der Leser nicht nur ein Bild über den Kreis der Befragten zu machen, sondern kann auch feststellen, wer von kompetenten Beurteilern fehlt. Auffallend ist vor allem der Ausfall der jüngeren Generation sowie der Maler und Musiker. Daher kann, wes der Verleger beabsichtigte, diese Anthologie weder als eine soziologische noch auch als gruppenpsychologische Studie angesehen werden und auch der Untertitel der Sammlung („Die schönsten deutschen Gedichte ...“) hat nur cum grano salis Geltung. Trotzdem ist diese Anthologie anregend und aufschlußreich wie kaum eine andere, vor allem — wie gesagt — in bezug auf die Auswählenden. Das Resultat dieser Enquete bietet manche Überraschung, legt aber im ganzen davon Zeugnis ab, daß sich auch allerschwie-rigste und problematische Gedichte hoher Wertschätzung erfreuen.

Am häufigsten wurden genannt: Gottfried Benn mit 20 Gedichten, Oskar Loerke mit 15, Rilke mit 12, Hofmannsthal lOmal, Werfel 9mal, Heym 9mal, George 8mal und Trakl 7mal. — Kein Gedicht wurde mehr als 3mal genannt. Je drei Stimmen fielen auf folgende Gedichte, die man also als die in dem umschriebenen Kreis meistgeschätzten bezeichnen kann: Benn „Sieh die Sterne, die Fänge“; Heym „Mit den fahrenden Schiffen“; Hofmannsthal „Manche freilich ...“, und Trakl „Ein Winterabend“. — Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß in der „Bilanz“ einige Gewichtsverschiebungen zugunsten einzelner

Dichter dadurch zustande kamen, daß etwa Wilhelm Lehmann gleich zehn Gedichte von Loerke genannt hat. — Martin Heidegger, der als einziger nur drei Gedichte auswählte, schrieb an den Verleger — und seinem Urteil und Vorbehalt möchten wir uns anschließen: .Es gibt diese zehn Gedichte, aber Ich wage nicht zehn zu nennen. Ich begnüge mich mit dreien, die nicht aus der Rückschau genannt sind, sondern aus dem Gedanken, daß sie zukünftig werden. Das ist vielleicht 6ehr subjektiv geurteilt, vor allem deshalb, weil die Jüngeren nicht beachtet sind. Aber hier kenne Ich zu wenig. Aber wichtig ist es, der Jugend heute vor Augen zu führen, was ein Gedicht i s t.“ Prof.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung