Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Der Liedersänger Fischer-Dieskau
Nach seinen drei Liederabenden, die der junge Berliner Bariton im Laufe einer Woche gab, wurde er von der Wiener Tagespresse mit den höchsten Qualifikationen bedacht, die eine so schöntim-brierte, in allen Registern gleichmäßig ausgebildete, vorbildlich gestützte und geführte jugendliche Stimme zu kennzeichnen vermögen. Und das Wiener Konzeitpublikum, in der Kunst des Liedgesanges von früher her sehr verwöhnt und zu höchsten Ansprüchen erzogen, bereitete dem jungen Orpheus ungewöhnliche Ovationen. Denn es war da noch etwas anderes als vollendete Technik und Fülle des Wohllauts. „Das ist das Geheimnis des Liedersingens“, schrieb 1915 der junge Alexander Berrsche: „Gleichmäßige innere Durchdringung zweier verschiedener künstlerischer Ausdrucksformen bei äußerer Unterordnung unter die Ausdrucksmittel einer einzigen Kunst.“ Und hier scheint die eigentliche Starke des jungen Sängers zu liegen: in der unmittelbaren und genauen, durch keine Reflexion gestörten Erfassung des Gehaltes, und der Stimmung der einzelnen Texte. Nach den Werten gefragt, aus denen er schöpfe, sagte Fischer-Dieskau, es sei „dieses stille, getroste, sterngläubige Vermächtnis unserer Kulturseele, das sich in den Namen und Werken der Dichter und Musiker spiegelt, diese Welt von Claudius, Goethe, Mörike und von Bach über Schubert bis Schumann und Brahms“. Von ihrem Ethos, von ihrer Ruhe und ihrem Lebensgefühl schwingt etwas mit in seinim Vortrag. Daß freilich der junge Künstler nicht nur den Balladenton Goethes in der Vertonung Schuberts ebenso sicher trifft wie die tra-jgisch-resignietende Stimmung der „Vier ersten Gesänge“ von Brahms und daß er auch in die geist-magische Sphäre von Goethes „Phänomen“ '(Hugo Wolf) einzudringen vermag, will uns fast wie ein Wunder erscheinen. Denn hier handelt es sich um Kunstwerke, die sich nur älteren, reiferen Interpreten zu erschließen pflegen — die dann freilich oft nicht mehr über die stimmlichen Mittel verfügen, das Erkannte — und Erlebte — musikalisch zu verwirklichen.
Sein Partner am Flügel war Jörg Demus, auch er dieser Welt durch Talent und Neigung innig verbunden, ein Klavierpoet, wie geschaffen, den Liedersänger zu unterstützen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!