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Vollkommenes

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Trotz der in letzter Minute notwendig gewordenen Programmumänderung infolge Erkrankung des Flötisten, wurde das Konzert des „Conceys musicus“ zu einem Sam-melpunKt hochwertiger musikalischer Genüsse. Die unter der Leitung von Nicolaus Harnoncourt stehende Spielgemeinschaft stellt wohl das profilierteste, auf musikwissenschaftliche Untermauerung gestützte und auf alten Originalinstrumenten musizierende Ensemble für Barockmusik dar, dessen Aufführungen qualitativ derzeit ohne Konkurrenz sein dürften. Neben Pergolesis „Concerto“ in f-Moll wies die Vortragsfolge Händeis „Concerto grosso“ in a-Moll und die als Einleitung gespielte „Ouvertüre“ in C-Dur von J. S. Bach auf. Kamen die beiden letztgenannten Werke noch schöner zur Geltung als das Pergo-lesi-Opus, so bildete den Kulminationspunkt des Abends doch J. S. Bachs „Konzert für Violine und Oboe“, in welchem Alice Harnoncourt als Geigerin und der Oboist Jürg Schäftlein sowohl in den großen Kantilenenbögen des Adagios als auch in den technisch-virtuosen Stellen der beiden Ecksätze als Solisten brillierten. Als einziger Minuspunkt des begeistert aufgenommenen Konzertes wäre seine Abhaltung in dem für solche Barockmusik akustisch höchst ungünstigen Mozartsaal zu nennen; Brahms-, beziehungsweise Schwarzenberg-Saal wären auf jeden Fall viel geeigneter.

Das Geheimnis des Liedersingens, so schrieb im Jahr 1915 der Münchner Max-Reger-Schüler und Musikkritiker Alexander Berrsche, sei die gleichmäßige innere Durchdringung zweier verschiedener künstlerischer Ausdrucksformen: der Dichtung und der Musik, bei äußerer Unterordnung unter die Ausdrucksmittel einer einzigen Kunst. Dies exemplifizierte in ihrem Liederabend im überfüllten Großen Musikvereinssaal Christa Ludwig. 9 Lieder von Schubert und 12 von Hugo Wolf standen auf dem Programm; eines von Wolf entfiel, dafür gab es drei Zugaben. Mehr als 20 Lieder also. Das bedeutet einen ebenso oft notwendigen Rollenwechsel. Aber er wurde nicht mit den Mitteln der versierten Bühnenschauspielerin, sondern ausschließlich mit den legitimen des Sängers, des raffinierten Miniaturisten vorgenommen. Und Prof. Erik Werba spielte mit. Die künstlerische Einheit von Solostimme und Begleitung war eine vollkommene.

Vollkommen war auch der Vortrag von Frau Ludwig. Nie hat sie übertrieben, nie unterspielt, es war alles klug und richtig, was sie machte. Der orphische Wohllaut ihres Mezzo konnte sich in den Schubert-Liedern mehr entfalten. Bei Wolf war es die intelligente Durchdringung, die absolute Wortdeutlichkeit, die besonders hervorzuheben ist. Und ein ver-innerlichter Ausdruck, der etwa „Auf eine Christblurne“ und „Schlafendes Jesuskind“, nach tiefsinnigen Gedichten des schwäbischen Pfarrers Mörike, zu einem nachhaltigen Erlebnis machte. Besonders dankbar muß man ihr sein, daß sie auch die „kleinen Dinge“ ganz ohne Nek-kerei darbot. Ein weiterer Höhepunkt: das tristanisierende Lied „Bedeckt mich mit Blumen“. Und in „Verschwiegene Liebe“ — wie auch schon gleich zu Beginn des Programms im „Abendbrot“ — gab es Passagen, die man mit einem „beseelten Bratschenton“ vergleichen möchte. Sehr richtig hat sie auch den monologischen Charakter der Wolf-Lieder erfaßt. Im letzten Lied des Schubert-Zyklus, dem „Ständchen“, assistierte ihr ein vierstimmiger Frauenchor (Singverein).

Frau Ludwig sang fast ausschließlich bekannte Lieder, „Hits“, sozusagen. Wer darüber beim Anschauen des Programms vielleicht ein wenig enttäuscht war, wußte ihr am Schluß zu danken, daß man diese Meisterwerke einmal in wirklich mustergültiger Interpretation hören durfte.

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